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Der Spielfreude
freien Lauf gelassen

 

"Es ist vor allem die Emotionalität dieser Musik, die uns fasziniert und tief berührt", sagt Stefan Ölke, "Kopf und Initiator" (Pressetext) des Absinto Orkestra, einem, um es vorweg zu nehmen, wunderbaren Orchester, dem es meisterhaft gelingt, eben diese Emotionalität in ihren Kompositionen zum Ausdruck zu bringen.

Es geht um die Musik der Roma und Sinti, und zwar in ihrer ursprünglichen, unverkitschten Form. Hier wird nicht über mit aufgesetzter Wehmut über "Zigeunerjungen" schwadroniert und im Planwagen-Ambiente das vermeintlich "lustige Zigeunerleben" gefeiert, und schon mal gar nicht hat das Absinto Orkestra den offenen Rassismus des aktuellen Shakira-Hits "Gypsy" im Sinn (Textprobe: "I might steal your clothes // And wear them if they fit me // I never made agreements // Just like a gypsy".

Es gibt weitere Beispiele für misslungene bis beleidigende "Zigeuner"-Musik der "Gadje", also derer, die selbst nicht Roma oder Sinti sind, und auch die Musiker des Absinto Orkestra sind Gadje. Doch ihnen gelingt die Annäherung im Unterschied zu vielen anderen vor allem deshalb, weil sie sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren. Die Emotionalität der Blaskapellen der Roma auf dem Balkan, die sowohl auf Beerdigungen als auch auf Hochzeiten aufspielen, haben die Musiker des Absinto Orkestra sicherlich mit großer Genauigkeit studiert, sie müssen sie jedoch auch fühlen, um sie schließlich in ihren eigenen Kompositionen umsetzen zu können.

"Gadje" schickt den Zuhörer auf eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen traurigen Geigen, euphorischem Balkan-Brass und Sambatrommeln - permanent werden die Grenzen zwischen Verlassenheit und Liebesglück, Sehnsucht und Straßenkarneval übertreten, ständig wird man mitgerissen von den Temperamenten dieses in jedem Augenblick furios aufspielenden Quintetts.

Jolly Reinig, Stefan Ölke, Joachim Schappert, Hans Bender und Frank Völker sind der Kern des Absinto Orkestra, Unterstützung bekommen sie nur von einer Handvoll Gäste, überraschend deshalb, weil der Sound meist so ausladend und voll klingt, als ob eine vollständige Dorfkapelle unterwegs wäre.

Vier der vierzehn Albumtitel werden mit erfreulich unprätentiösen deutschsprachigen Texten unterlegt (Lieblingszeile: "Was heute Wurst // war gestern Schwein // wir können trotzdem Freunde sein"), die übrigen Stücke sind instrumental und lassen der Spielfreude dieses höchst sympathischen Ensembles freien Lauf, die tatsächlich "fasziniert und tief berührt ..."

 

© Michael Frost, 17.04.2010


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