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Slowfood für
Ohren und Gemüt


Es gibt Alben, die erobern ihre Hörer im Sturm. Sie sind laut, temporeich, dramatisch arrangiert - kurzum: mitreißend. "Dismantling dreams" ist das genaue Gegenteil. Es überwältigt nicht, sondern dringt kaum merklich mit sanften Klängen ins Unterbewusstsein ein. Dort einmal angekommen, wird man sie nicht mehr los, hört "Dismantling dreams" nochmals und nochmals - ohne eigentlich zu wissen, warum.

Denn es ist etwas Eigenartiges, Besonderes an dieser Musik, die einerseits Jazz ist und andererseits Electronica, die mit einem Streichquartett arbeitet - aber vorwiegend mit einer großartigen Stimme. Efrat Alony studierte Komposition, Arrangement, Jazz- und klassischen Gesang, sowohl in Israel, den USA als auch in Deutschland. Daneben ist ihr musikalisches Interesse ungeheuer vielseitig; es reicht von Cecilia Bartoli über Keith Jarrett bis zu Sigur Rós und Radiohead.

Am deutlichsten jedoch schimmert auf ihrem neuen Album die Nähe zu Björk auf. Vor allem ist es deren Album "Vespertine" mit seinen ungemein leisen und zurückgenommenen Electronica-Balladen, auf das "Dismantling dreams" sich erkennbar bezieht. Mark Reinke und Christian Thomé, die für die digitalen Elemente verantwortlich sind, sind Alonys Pendant zu Matmos, dem Duo aus San Francisco, das Björks Konzept realisierte.

Das kaj:kaj String Quartet, für das Alony und Mark Reinke die Arrangements schrieben, fügt sich passgenau in das Konzept ein: Die Streicher changieren zwischen der elegischen Kulisse einer klassische Jazz-Ballade, Ambient und avantgardistischer Dissonanz. So liegt der eigenartige, bewusst zunächst kaum wahrnehmbare Reiz des Albums in der spannungsreichen Zusammenführung der Elemente Jazz, Klassik und Electronica.

Videolink: Alony "Lights on/off" / youtube
 

In der Albummitte, im Stück "Hear me" treffen all diese Qualitäten des Streichquartetts, der Elektronik und des Jazz schließlich aufeinander: "Mein Lieblingslied auf der CD", so Alony, die sowohl für Text als auch Komposition und Arrangements verantwortlich zeichnet.

Der leise Facettenreichtum von "Hear me" wie auch der übrigen Lieder erschließt sich dabei nicht beim ersten Hören: Bei jedem neuen Hören wird man neue Details wahrnehmen und beeindruckt sein - beispielsweise von der modulationsreichen Stimmführung Alonys in der musikalischen Umsetzung des Yeats-Gedichts "To a child dancing in the wind" oder der nochmals verdichteten Atmosphäre zum Abschluss, in "Ad Matay", der Adaption eines Titels der israelischen Songwriterin Etti Ankri.

"Dismantling dreams" ist eben nicht ein Album, das den Hörer sofort erobert, sondern umgekehrt erobert werden will. Es ist nicht laut, sondern auf faszinierende Weise leise; es dramatisiert nicht und schafft doch eine fesselnde Atmosphäre; Hektik und Tempo werden gewissermaßen 'entschleunigt' und eröffnen den Blick auf die Schönheit des Details - das ist 'Slowfood' für Ohren und das Gemüt.

 

© Michael Frost, 01.05.2009


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