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Mayra, sie hat's!

 

"Ella elle l'a, Ella elle l'a" - "Ella, sie hat's", sang France Gall einst in ihrer zum Welthit avancierten Hommage an Ella Fitzgerald. Warum fällt ausgerechnet dieser Ausruf beim Hören von Mayra Andrade ein? Die junge Sängerin ist weder Jazz- noch Bluessängerin, mit ihren 24 Jahren ist sie deutlich zu jung, um auf ein gewaltiges Lebenswerk verweisen zu können - tatsächlich steht sie erst am Anfang ihrer Karriere. Doch ohne jeden Zweifel hat auch Mayra Andrade etwas ganz Besonderes, sie hat Persönlichkeit und Ausdruckskraft, ihre Kunst folgt einer eigenen Vision, und bei aller Jugendlichkeit ist ihr Charisma nicht zu überhören.

Der wichtigste Grund für ihr außergewöhnliches Talent ist wohl die Summe ihrer bisherigen Stationen: Die Sängerin wurde auf Kuba geboren, wuchs auf den Kapverden heran, lebte später im Senegal, Angola und auch in Deutschland - bevor sie sich schließlich in Paris niederließ. Mit nur einem Album ("Navega", 2006) erzeugt ihr Name einen erstaunlichen Nachhall, der es ihr ermöglichte, für das Zweitwerk einige der bedeutendsten Musiker der Achse Portugal-Kuba-Brasilien-Westafrika einzuspannen: Jazzpianist Roberto Fonseca etwa, die Percussionisten der Sambaschule "Compania dos tecnicos" aus Rio de Janeiro, Stararrangeur Jacques Morelenbaum und Alê Siqueira, ihren brasilianischen Produzenten.

Was nach Namedropping klingt und damit im krassen Gegensatz zur fast naiven Ursprünglichkeit der frühen Alben von Cesaria Evora - der ersten zu Weltruhm gelangten Künstlerin der Kapverden - steht, ist im Ergebnis dennoch keineswegs überladen. Der Charme von Mayra Andrade überstrahlt sämtliche Begleiter. Ihre gezielte Auseinandersetzung mit den Rhythmen der Kapverden, Kubas und Brasiliens gewinnt eine unverwechselbare Identität: sanft und temperamentvoll zugleich, in einem raffinierten Wechselspiel zwischen der Melancholie kapverdischer "Mornas", kubanischem Jazz, brasilianischer Samba und afrikanischen Percussions.

In einer besonderen Herausforderung ("Mon carrousel") vereint Mayra Andrade schließlich sogar kapverdischen Rhythmus, französisches Chanson und portugiesische Folklore, letztere virtuos in Szene gesetzt durch Celina da Piedade; die Akkordeonistin gehört zum "Cinema Ensemble" von Madredeus-Mitbegründer Rodrigo Leao.

"Stória, stória ..." ist ein gleichermaßen gefühl- wie temperamentvolles Album. Mayra Andrade ist ihrem eigenen Weckruf gefolgt: "Bewusstsein! Erwache aus deinem Schlaf, liebes Bewusstsein, wach auf und lass mich handeln ..." lauten die Zeilen in "Konsiénsia", einem Schlüsselsong des Albums. Mayra Andrade bittet ihre "konsiénsia" darin allerdings nicht um künstlerische Bewusstheit für sich selbst, sondern um nicht weniger als die Fähigkeit, die Welt zu verändern. Soweit Musik diesen Prozess voranbringen kann, ist "Stória, stória ..." bereits eine wahre Großtat. Keine Frage: Mayra, sie hat's!

 

© Michael Frost, 16.08.2009


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