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Aufbruch in der Kunst

 

Körper ersetzen Sprache, Bewegungen ersetzten Worte und die durch sie übermittelten Emotionen. Das ist die Idee des Tanztheaters. Klassische Musik auch Menschen nahezubringen, die "sonst nicht diese Art von Musik hören", ist die Idee von Ólafur Arnalds, an deren Verwirklichung er seit seinem 2007 veröffentlichten Album "Eulogy for evolution" mit großer Beharrlichkeit arbeitet. Im vergangenen Jahr verbreitete er seine instrumentalen Visionen via Twitter an Fans und solche, die es dadurch wurden.

Der gerade erst 23jähige Komponist und Pianist arbeitet im Grenzbereich von Postrock, Electronica und Neoklassik. Das ungebrochene Interesse für die isländische Musikzene dürfte ihm tatsächlich auch die Türen zu jenen geöffnet haben, die der klassischen Musik sonst eher fern sind: Seine instrumentalen Kompositionen setzen dort an, wo Radiohead und Sigur Rós aufhören, und so ist es keine Überraschung, dass nach ihnen auch Ólafur Arnalds auf die Neugier des Tanztheaters stieß.

Wayne McGregor, Chefchoreograph des ambitionierten "Random Dance" aus London, engagierte Arnalds für die Musik zu seinem Projekt "Dyad 1909", für das der Isländer nicht nur neue Stücke schrieb, sondern auch Titel von "Eulogy for evolution" und der EP "Variations of static" neu bearbeite.

Die Dramatik des knapp halbstündigen Werks ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Piano und elektronischen Elementen (Arnalds) und einem Streichquartett. Die gegenläufigen Details, jeweils symbolisch für vergangene, gegenwärtige und zukünftige Epochen, entsprechen ganz der Vision von McGregors Random Dance, in der bildende und virtuelle Kunst mit dem Ballett ineinander fließen.

"Dyad 1909" wurde im Oktober 2009 in London uraufgeführt. Das Stück führt zurück in die Aufbruchstimmung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, als immer mehr Entdecker und Forscher die geografischen Extreme ausloteten, während andere die neue Zeit auch in der Kunst einleiteten. Tänzerisch knüpft "Dyad 1909" direkt an Sergej Diaghilev an, der 1909 das legendäre ballet russe in St. Petersburg begründete und damit das Tanztheater revolutionierte. Im selben Jahr scheiterte der Forscher Ernest Shakelton nur knapp an seinem Ziel, als erster Mensch den geografischen Südpol zu erreichen.

Arnalds' Musik setzt das Thema mit einer Mischung aus introvertierten Klavieretüden, sich dramatisch aufbäumenden Streichern und schneidend kaltem Elektrosound um. Wie die Tänzer sich in diesem musikalischen Umfeld bewegten, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden, Kritiker der Aufführung jedoch beschreiben die durch Video-Installationen ergänzte Choreografie als berauschend.

So ist Ólafur Arnalds ein weiterer Coup gelungen, mit dem er ebenso neues Territorium entdecken will wie die Künstler und Forscher vor ihm. Inzwischen arbeitet er bereits wieder an einem eigenen Album, das er gemeinsam mit einem nicht minder ambitionierten Isländer entwickelt: Triphop- und Downbeat-Spezialist Bardi Johannsson ("Bang Gang", "Lady & Bird").

 

© Michael Frost, 01.02.2010


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