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Papas Platten


Es ist die Schallplattensammlung ihres Vaters, die Natacha Atlas seit jeher faszinierte. Eine Sammlung, so sagt sie, die "von den Klängen des Mittleren Ostens bis hin zur Klassik des Okzidents" reichte - während ihre Mutter "mehr auf Led Zeppelin" stand. Natacha Atlas hat sich in dieser Hinsicht nie festgelegt: In ihrer Musik finden sich alle Stilrichtungen wieder, und heute ist sie die wohl schillerndste Künstlerin eines Genres, das mangels differenzierender Begriffe "Weltmusik" genannt wird.

Sie arbeitete mit Peter Gabriel (ein frühes Dokument dieser Kooperation erschien jüngst auf "Big Blue Ball"), Sinead O'Connor, Nigel Kennedy, Les Negresses Vertes und Peter Maffay, sie coverte Jacques Brel und James Brown und zeigte bislang jedes Mal, dass ihr praktisch kein Genre, ob nun klassisches Chanson, Hiphop oder Bollywood-Pop, fremd ist.

Für ihr neues Album hat Natacha Atlas sich nun wieder in die Plattensammlung ihres Vaters vertieft. Sie stieß dabei auf Musik, wie sie in Ägypten und im Libanon der 50er Jahre gespielt wurde. Die "Rahbani Brothers" waren die bekanntesten Autoren dieser Zeit, und ihre Lieder wurden von der auch international berühmten libanesische Sängerin Fairuz - sie ist bis heute eine Legende in der arabischen Musik -, der Ägypterin Oum Kalsoum und dem libanesischen Tenor Wadi El Safi interpretiert. Natacha Atlas: Ich liebte einfach diesen Fairuz/Rahbani-Musikstil, weil er eine Fusion war. Die Rahbanis hatten sich sowohl mit westlicher als auch mit arabischer Musik auseinandergesetzt und vermischten sie schon, bevor ich geboren war."

Einige der Lieder aus dieser Zeit wählte Natacha Atlas aus und spielte sie mit dem Mazeeka Ensemble neu ein. "Ana Hina" ist ihr erstes akustisches Album - ungewöhnlich für eine Künstlerin, die dafür berühmt ist, traditionelle arabische Musik mit elektronischen Beats zu vermischen. Doch auf "Ana Hina" weist sie nach, dass es Fusionen zwischen westlicher und orientalischer Musik schon früh gab.

Doch Natacha Atlas wäre nicht sie selbst, wenn sie die Gelegenheit ungenutzt ließe, auch dieser Rückbesinnung neue Seiten hinzuzufügen. Also streut sie mit "Black is the color" einen Nina-Simone-Titel ein, mit der spanischen Sängerin Clara Sanabras vertont sie ein Gedicht von Frida Kahlo. Das Arrangement, mit dem sie die gemeinsame Interpretation unterlegt, ist dabei bezeichnend, weil es aus einer schließlich nicht mehr zu identifizierenden Mischung aus europäischer Kammermusik, Mariachi und arabischen Harmonien zusammengesetzt wird.

Was in der Beschreibung fast konstruiert und programmatisch klingt, hört sich in der Praxis auf wundersame Weise federleicht an. Mit sanft betörender Stimme, mit den weichen Linien der Streicher, Flöten, Blechbläsern und Percussions, dem flirrenden Klang eines Akkordeons und dem wunderbar sinnlichen Gesamteindruck gerät man unweigerlich - und unentrinnbar - in den Bann von Natacha Atlas, und nur allzu gern gibt man sich ihren Klängen hin.

© Michael Frost, 24.08.2008

 


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