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Jenseits der
Italopop-Klischees

 

Für Italiener ist das jährliche Musikfestival von San Remo ein Heiligtum, so sehr, dass man zugunsten des nationalen Events seit Jahren auf die Teilnahme am Eurovision Song Contest verzichtet - wirkliche Stars werden dort sowieso nicht geboren. In San Remo muss man noch nicht einmal unbedingt gewinnen, um anschließend dennoch im ganzen Land zum Star zu werden.

Malika Ayane ist das Kunststück in diesem Jahr gelungen. Mit dem Gute-Laune-Popsong "Feeling better" (eigentlich eine perfekte Eurovisions-Nummer) war sie monatelang in den Charts vertreten. Zuvor hatte sie bereits die Single "Sospesa" veröffentlicht. Für San Remo hatte sie "Come foglie" ausgewählt - ein weiterer Ohrwurm. Alle drei Songs sind nun - neben elf weiteren und einem Bonustrack - auf ihrem selbst betitelten Debütalbum zu hören.

Videolink: Malika Ayane "Feeling better" / youtube
 

Schnell wird beim Hören deutlich, dass man die Sängerin nicht vorschnell als typische Italopop-cantatrice abstempeln sollte. Ihr Potential reicht nämlich deutlich weiter, und ihr Album wird genau in den Momenten, in denen sie ihre Grenzen auslotet, erst richtig interessant. Sie beherrscht sowohl den leichten Bonbonsound (das bereits erwähnte "Feeling better") als auch die dramatische Popballade alla Pausini ("Perfetta", "Someday"), streicherlastige Epen ("Il giardini dei salici") und verspielte Electronica ("Time thief"), die an Björks Album "Vespertine" erinnert.

Tatsächlich standen ihr mit Tony Cousins und Vince Mendoza zwei Arrangeure aus dem Umfeld der europäischen Electro-/Triphop-Avantgarde zur Seite - andererseits aber auch Altmeister Paolo Conto, der den Song "Fandago" für sie schrieb, einen dunkel drängenden Song, in dem sie sich selbst auf dem Cello begleitet - während Conte selbst im Hintergrund das für ihn so charakteristische Kazoo zum Einsatz kommen lässt.

Malika Ayane kann tatsächlich auf eine klassische Ausbildung an der Giuseppe-Verdi-Akademie von Mailand zurückblicken. Auch deshalb sollte man sie keinesfalls unterschätzen. Die Tochter eines marokkanischen Künstlers und einer italienischen Krankenschwester steht noch am Beginn ihrer Karriere, und wenn es ihr gelingt, sich nicht in Stereotype und Klischees abdrängen zu lassen, wird nicht nur Paolo Conte in Verzückung geraten, der in der römischen Tageszeitung "La Repubblica" von Ayanes "dunkel-oranger und an ein seltenes, bitteres Gewürz erinnerenden" Stimme schwärmte.

© Michael Frost, 22.08.2009


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