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"Le jazz est revenu"

 

Es klingt unglaublich: In Vorgesprächen mit Jeff Hamilton und Jeff Clayton habe der 85-jährige Charles Aznavour erklärt, er wolle einen neuen Zugang zu seiner eigenen Musik finden. "Macht etwas anderes daraus", habe er gesagt. Also machte John Clayton sich an die Arbeit und schrieb einige der unsterblichen Chansons, mit denen Aznavour zu Weltruhm gelangt war, für sein "Clayton Hamilton Jazz Orchestra", immerhin eines der weltweit angesehendsten Jazz-Ensembles, um.

Auf das Ergebnis sind alle Beteiligten gleichermaßen stolz: Nicht nur Aznavour, sondern auch das Clayton Hamilton Jazz Orchestra, zeigen sich hier in völlig neuem Licht. Aznavour erreicht - trotz des weiterhin so typisch französischen Timbres - die unvergleichliche, typisch amerikanische Lässigkeit eines Sinatra, während das amerikanische Jazz-Ensemble wiederum gleichsam den Geruch der Jazz-Clubs von Saint Germain anzunehmen scheint.

Das Album, das abseits der Namen von Aznavour und der Bigband keinen eigenen Titel hat, wird bereits jetzt allseits gefeiert. Für Aznavour ging mit der Aufnahme in den Capitol-Studios von Hollywood ein Traum in Erfüllung. Dort arbeiteten während nahezu alle, die das Gesicht des Jazz in den vergangenen Jahrzehnten prägten: Sinatra, Ella Fitzgerald und Louis Armstrong, Nat King Cole. "C'est la musique qui m'inspire", hatte Aznavour schon in "Le jazz est revenu" (2000) gesungen: "de Frank à Ray, d'Ella à Bing - et combien d'autres dont J'admire le swing".

Videolink: Charles Aznavour & The Clayton Hamilton Jazz Orchestra / youtube

Es hätte ihn nicht wirklich bedurft, da das Lebenswerk von Charles Aznavour bereits jetzt zu den Meilensteinen der europäischen Musik des 20. Jahrhunderts zählen dürfte, und doch hat nicht nur er selbst die Aufnahme als "Ritterschlag" empfunden. Am Sunset Boulevard in Los Angeles, wo die Fotos der größten US-Stars zu sehen sind, sinnierte er, "es wäre doch toll, wenn da oben auch ein Franzose abgebildet wäre." Und so legt er sich mit Verve und fast jugendlichem Elan ins Zeug, als gehe es um einen Wettbewerb in Sachen spielerischer Leichtigkeit, den er mal mit Gastpianist Jacky Terrasson, mal mit der furios aufspielenden Bläser-Abteilung des Clayton Hamilton Jazz Orchestra, mal mit einer Duettpartnerin wie Dianne Reeves austrägt.

Es ist, als sei die Zeit stehen geblieben, um fortan keine Rolle mehr zu spielen: Charles Aznavour erlebt mit diesem Album wohl das, was seinem Kollegen Henri Salvador schon zu Beginn dieses Jahrzehnts passierte, nämlich einen zweiten Karrierefrühling, in dem nicht nur unvergängliche Klassiker in neuen Farben erblühen, sondern der Künstler selbst die Aufmerksamkeit einer neuen Publikumsgeneration auf sich zieht: "Pour revivre ses jours de gloire , le jazz est revenu" - um seine glorreichen Tage noch einmal zu erleben, ist der Jazz zurückgekehrt - dieses Lied steht als ungeschriebenes Motto über einem Album, das später vielleicht als Vermächtnis des berühmtesten französischen Sängers gelten wird.

© Michael Frost, 28.11.2009


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