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Der Geist der Erde


Es war im Jahre 1492, als die spanische Armee die Herrschaft der Mauren in Andalusien ("Al Andalus") beendete. Muslime und Juden, soweit sie Spanien nicht verlassen wollten, wurden gezwungen zum Christentum zu konvertieren. Damit endete eine kulturelle Blütezeit, deren Früchte im heutigen Spanien zwar noch allgegenwärtig sind, jedoch überwiegend in Museen und historischen Sammlungen überdauern.

Allerdings gibt es in der Musik eine lauter werdende Bewegung, die sich der gemeinsamen christlichen, muslimischen und jüdischen Wurzeln erinnert, sich auf Spurensuche begibt und Vergangenes in die Gegenwart überträgt. Dass diese Künstler allein durch die Tatsache der Beschäftigung mit einer Zeit, in der die Anhänger der Religionen friedlich miteinander lebten, ein politisches Zeichen von aktueller Bedeutung setzen, versteht sich von selbst.

Der Syrer Abed Azrié gehört zu dieser Gruppe von Musikern. Auf seinem neuen Album "Suerte live" folgt er der Herkunft des Flamenco. Mit drei Instrumentalensembles, bestehend aus christlichen, muslimischen und jüdischen Roma aus Frankreich, Spanien und verschiedenen arabischen Ländern begibt Azrié sich auf die Suche nach einem Zustand der Ekstase, der im spanischen Flamenco "duende" genannt wird. "'duende' ist eine Kraft, nicht eine Aktion. Diese geheimnisvolle Kraft, die jeder fühlt und die kein Philosoph erklären kann ist nichts anderes als der Geist der Erde." (Federico Garcia Lorca).

Die während mehrerer Konzerte in Toulouse eingespielte Aufnahme lässt den gemeinsamen Ursprung der Musik deutlich werden. Flamencogitarre, arabischer Gesang, Geigen, Percussions, Qanoun (eine arabische Zither) wachsen unter Azriés Regie zu einem als Einheit agierenden Klangkörper, der in rasanter Folge Stimmungen, Tempo und Atmosphäre wechselt, von hoher Emotionalität und Emphase zeugt und schließlich genau den von Lorca beschriebenen Zustand erreicht.

Die Texte, die Abed Azrié mit tiefer Baritonstimme auf Arabisch singt - kontrastiert von der melancholischen Stimme des Spaniers Serge Guirao - sind an die eintausend Jahre alt. Es handelt sich um "wuwwashahat", andalusische Gedichte aus dem 11. Jahrhundert, die Azrié bearbeitet und vertont wurden. Das schön gestaltete Booklet enthält Übersetzungen dieser Texte in Spanisch, Arabisch, Englisch und Französisch.

© Michael Frost, 01.08.2005

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