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Babel, Brokeback Mountain, Buenos Aires


Wenn ein Komponist in zwei aufeinander folgenden Jahren den Oscar für die beste Filmmusik erhält, dann muss er etwas Besonderes sein. Denn diese Ehre wurde beileibe nicht jedem zuteil, der sie verdient hätte - man denke nur an Ennio Morricone, der mangels Auszeichnung für einzelne Soundtracks nun mit einer Statue für sein Lebenswerk getröstet wurde.

Ennio Morricone und Gustavo Santaolalla, von dem hier die Rede ist, sind sich dabei vielleicht ähnlicher, als es auf den ersten Blick scheint. Denn wie ihre großen Kollegen, z.B. Howard Shore oder Hans Zimmer, können auch sie mit großen Filmorchestern operieren und die Kinoleinwand durch ausladende Symphonien noch etwas breiter erscheinen lassen, doch ihre wahre Stärke liegt in der Reduktion. Es ist das einzelne Instrument, an das man sich erinnert.

Die Musik, die Santaolalla für "Brokeback Mountain" und "Babel" schrieb, sind Paradebeispiele für seine Vorgehensweise. Seine Musik atmet die Atmosphäre seiner Filme. Die Verlorenheit, welcher die Protagonisten in "Babel" ausgesetzt sind - ob im US-amerikanisch/mexikanischen Niemandsland, im marokkanischen Atlasgebirge, selbst im niemals schlafenden Tokio, wird durch die Musik noch verstärkt, und ebenso verhält es sich mit der Fragilität der Liebesbeziehung zweier Cowboys am "Brokeback Mountain", die Santaoalla in den leisen Läufen der Countrygitarre widerspiegeln lässt. Dass er dabei die "feminine Seite" des Country offenbarte, wie das 3sat-Magazin "Kulturzeit" kürzlich meinte, ist freilich Unsinn - ging es dem Film doch vielmehr darum, den Begriff des Maskulinen zu erweitern.

Nun ist der gebürtige Argentinier zu seinen Wurzeln zurück gekehrt und reiht sich erneut in seinen neunköpfigen "Bajofondo Tango Club" ein. Befreundete Stars wie Elvis Costello und Nelly Furtado geben jeweils kurze Gastspiele auf "Mar Dulce", dem 'Süßen Meer', womit Santaolalla und seine Kollegen die Mündung des Rio de la Plata bezeichnen, zu dessen Ufern die Hauptstädte Argentiniens und Uruguays liegen.

Hier treffen traditionelle und moderne Sounds aufeinander: Tangos, Milongas, Murga und Candombe, aber auch Drums&Bass und Electronica, Rock und Hiphop. Angesichts dieser Vielseitigkeit wurde der Tango kurzerhand aus dem Bandnamen getilgt - er ist nur noch einer der vielen Stilmittel der Gruppe, und vielleicht dient die Neuorientierung auch der Abgrenzung der immer zahlreicheren Tango-Projekte, die im Gefolge des französisch-argentinischen Gotan Project ein ungeahntes Electrotango-Fieber entfachten. "Bajofondo" heißt Santaolallas Gruppe nun, und im Gegensatz zu den Kollegen des "Gotan Project" wagen die Musiker sich doch erstaunlich weit in andere Genres vor.

Am deutlichsten - und womöglich am überzeugendsten - gelingt ihnen dieser Fortschritt mit dem Stück "El anden", für das sie die spanische Rapperin La Mala Rodriguez ins Studio baten. Doch auch Elvis Costello setzt mit "Fairly right" einen Glanzpunkt: Untermalt von Bandoneon (Ryota Komatsu), Klavier, Streichern und leisem Breakbeat schlägt er einen elegischen Bogen, der vom "Mar dulce" zurück zur Filmmusik führt.

Santaolalla wird somit sowohl Dauergast bei Preisverleihungen bleiben. Vielleicht kann er auch für "Mar dulce" schon einen Platz in der Vitrine freiräumen - der nächste Grammy kommt bestimmt!

© Michael Frost, 20.01.2008

 


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