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Intention und Intonation sind eins

 

Arme Rebekka Bakken: Nahezu jede Besprechung ihres neuen Albums "Morning hours" arbeitet sich zunächst am Werdegang der als Jazz-Sängerin gestarteten Interpretin ab, um schließlich mit zweifelndem oder zustimmenden Unterton - je nach persönlichem Geschmack des Rezensenten - festzuhalten, wie weit sie sich inzwischen vom Vocal Jazz entfernt habe. Sie selbst, so erzählte sie jüngst nochmals im Interview auf laut.de, sehe sich überhaupt nicht als Jazzerin. Doch ihren exzellenten Ruf verdankt sie ihrer Zusammenarbeit mit der Pianistin Julia Hülsmann, mit deren Jazz-Trio sie 2003 Gedichte von E.E. Cummings vertonte ("Scattering poems").

Auch wenn es wohl daran liegt, dass Bakkens Website von ihrer aktuellen Plattenfirma Universal betrieben wird, während "Scattering poems" beim Jazz-Label ACT erschien, so hat das Fehlen jedes Hinweises auf dieses Album in ihrer Diskographie durchaus Symbolgehalt: Rebekka Bakken möchte als Songwriterin und Pop-Interpretin wahrgenommen werden.

Und wie um diese vermeintliche Abkehr zu unterstreichen, beginnt sie "Morning hours" mit einer nicht einmal dreiminütigen Popballade von geradezu offensiver Banalität - nicht die Spur von Jazz, Blues oder anderen Gefühlen mit Tiefgang. Rebekka Bakken, gesegnet mit einer faszinierend warmen, klaren und modulationsreichen Stimme, übt sich in gezieltem Understatement, das im Zuge ihres Albumkonzeptes durchaus Sinn macht: Die "Morning hours" beginnen noch etwas schlaftrunken, nur zögerlich öffnet man die Augen und wird erst mit der Zeit aufnahmefähig für große Linien, feine Details und stimmige Momente. Der eigentliche Weckruf geschieht mit dem zweiten Song "Sometimes", der ebenso stark vom American Folk/Countrypop beeinflusst ist wie das anschließendes Stück "Ghost in the house".

Diese für sie neuen Klangfarben verdankt Rebekka Bakken der Arbeit ihres Produzenten Craig Street, einem absoluten Spezialisten für Grenzgängerinnen: Er produzierte u.a. Norah Jones, Cassandra Wilson und K.D. Lang. An Rebekka Bakken, so Street, schätze er vor allem die Klarheit ihrer Stimme und der Melodien. Gemeinsam mit versierten Instrumentalisten wie Gitarrist Marc Ribot gelang es ihm, diese Klarheit nochmals zu unterstreichen, indem er sich in bewusster Zurückhaltung übt. Man mag sich mit Grausen vorstellen, wie man einen Song wie "No easy way", einen absoluten Ohrwurm, durch aufwändige Arrangements zur pathetischen Hymne aufblähen könnte - doch Street entschied sich glücklicherweise für das Gegenteil. Durch die konsequente Reduktion tritt die erhabene Schönheit der Melodie - gemeinsam mit der charaktervollen Stimme Rebekka Bakkens - überhaupt erst in den Vordergrund, und dies während des gesamten Albums.

Rebekka Bakken bestreitet zwar, dass ihre Musik etwas typisch Nordisches habe, doch wird sie Ähnlichkeiten zwischen der klaren Linienführung ihrer Songs und der schnörkellosen Schlichtheit skandinavischen Designs und der symbiotischen Beziehung von Form und Funktion nicht abstreiten können. Diese Prinzipien auf "Morning hours" übertragend wäre nämlich festzuhalten, dass dem Album eine vergleichbare Symbiose gelingt: Intention und Intonation sind eins.

 

© Michael Frost, 07.11.2009


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