"My
life in rooms" sei ein Album mit Herbstmusik, lese ich im Begleittext
zur zweiten Veröffentlichung des kanadischen Band-Projekts Barzin.
Das klingt abschreckend in Tagen, in denen gerade der letzte Schnee
schmilzt, der Frühling mehr Ahnung als Wirklichkeit ist, Heizungszähler
explodieren und man sich an den Tag schon gar nicht mehr erinnert, an
denen man das Auto morgens vor der Fahrt zur Arbeit einmal nicht von
Eis befreien musste.
Doch
glücklicherweise hat jeder vom Herbst eine andere Vorstellung,
und so sollte man sich von der Ankündigung nicht abhalten lassen,
Barzins Musik in jedweder Jahreszeit zu entdecken. Denn Intimität
und Melancholie, verträumte und versonnene Momente verzaubern
auch zu anderen Zeiten.
Barzin,
das ist vor allem der Sänger, Komponist und Instrumentalist Barzin
Housseini selbst. "Here is the one thing I follow, here is
my life, my life in rooms ..." eröffnet er sein Album,
mit einem leisen und sehr langsamen Bluesrhythmus. Sofort fühlt
man sich wie auf einer Insel: hier ist die Luft frischer, das Leben
ruhiger, die Uhren gehen langsamer, und überhaupt spielt Zeit
keine Rolle. Die Natur gibt den Tagesablauf vor.
Barzin
erzeugt dieses Inselgefühl mit kaum einer Handvoll Begleiter.
Tony Dekker und Suzanne Hancock gehören zur festen Besetzung,
doch die übrigen Begleiter wechseln, treten mal mit Countrygitarre
und Geige, mal mit dem Drumcomputer oder einem Flügelhorn in
Erscheinung; Musiker auf der Durchreise, die ihren Beitrag zur Stimmung
des Albums leisten, ohne davon viel Aufhebens zu machen.
Ebenso
verhält sich Barzin selbst: Seine Stimme ist wie aus weichem
Samt, bleibt aber dennoch distanziert und sogar kühl, ohne jeden
Kitsch oder plüschige Romantik. Dafür sorgen leichte Verfremdungseffekte
der Stimme und der Rhythmuscomputer. Für das Genre der Singer/Songwriter
ist das Halten dieser Balance keine Selbstverständlichkeit. Umso
größer also die Begeisterung über einen, dem sie gelingt
- zu jeder Jahreszeit.
©
Michael Frost, 31.03.2006