Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Ein besonderer Platz
im Lebenswerk

 

Den ihr verliehenen Adelstitel benötigt sie eigentlich nicht: Der Respekt vor der Sängerin Shirley Bassey ist auch ohne ihn groß genug. Doch sie führt den Titel "Dame" mit Stolz im Namen, also ziert er auch das Cover ihres Albums, das dann allerdings betont unprätenziös ganz schlicht "The performance" genannt wurde.

Dreieinhalb Minuten benötigt Dame Shirley Bassey, bis sie exakt die Pose erreicht hat, die selbst das heimische Wohnzimmer zur Bühne werden lässt: Langsam, aber unaufhaltsam steigert sich der leise Opener "Almost there" bis zu einem gewaltigen, natürlich von großem Orchester begleiteten Crescendo und einer Stimmfülle, die vielen Kolleginnen noch immer zu Tränen der Bewunderung - oder des Neides - rühren dürften. Das Publikum zeigt sich schlicht hingerissen von dem unbändigen Willen der Interpretin zur glamourösen Geste, mit der sie zwischen 1964 und 1979 insgesamt dreimal den Titelsong in James Bond-Filmen interpretierte. "Goldfinger" (1964) gilt dabei bis heute als bester Titelsong überhaupt. Daneben wurden Hits wie "What now my love" (1962), "Big spender" (1967) mit ihr weltberühmt - und ihre Version des Beatles-Hits "Something" (1970) überflügelte sogar das Original.

Seit ihrem letzten Studioalbum mit neuem Material sind nunmehr zwanzig Jahre vergangen. "The performance" ist somit ein ebenso überraschendes wie überfälliges Comeback einer der größten britischen Sängerinnen den 20. Jahrhunderts, aber auch eine Hommage zahlreicher Kollegen, die ihr eigens neue Lieder auf den Leib schneiderten: Neil Tennant und Chris Lowe (Pet Shop Boys), Rufus Wainwright, Gary Barlow (Take That), KT Tunstall, Manic Street Preachers, Nick Hogdon (Kaiser Chiefs), Tom Baxter und Richard Hawley. Und auch John Barry und Don Black, die für Bassey zuletzt 1972 den Titelsong zu "Diamonds are forever" geschrieben hatten, komponierten erstmals wieder für sie. Als Produzenten gewann sie sensationell einen anderen James Bond-Spezialisten: David Arnold, der gerade einmal zwei Jahre alt war, als Shirley Bassey mit "Goldfinger" Triumphe feierte, aber seit 1997 die Soundtracks zu sämtlichen seitdem gedrehten James-Bond-Filmen komponierte.

So unterschiedlich die Herangehensweise aller Komponisten, so großartig ist auch die "Performance" der Sängerin. Tom Baxters Auftakt wurde bereits erwähnt, ähnlich feierlich, zum Teil mit deutlichem James Bond-Appeal, sind auch die Beiträge von John Barry ("I love you now") und David Arnold ("As God is my witness") ... Getragener, aber in der gleichen klassischen Tradition der großen Show- und Musical-Songs geben sich auch die Kompositionen von Gary Barlow ("This time") und Tennant/Lowe ("The performance of my life"), die vor allem von der Opulenz der Orchestrierung leben, vor deren Hintergrund sich die Stimmgewalt der 72-jährigen (!) Sängerin immer wieder aufbäumt wie ein Gebirge. Die Manic Street Preachers schrieben der Legende sogar einen biografischen Song: "The girl from Tiger Bay" nach dem Ort in Wales, in dem Bassey groß wurde.

Eine zusätzliche Klangfarbe bringt Rufus Wainwright ins Spiel: Seine Komposition "Apartment" kommt als schmissiger Latinpop-Song mit Flamenco-Gitarre daher, so betont eingängig und harmlos, wären da nicht die frechen Bläsersätze, die das Tempo zusätzlich anheizen - und Bassey selbst.

Aus dem Rahmen fällt so schließlich nur der Beitrag von Richard Hawley. Dem Sheffielder, der einer der besten Songwriter Großbritanniens ist, findet als einziger einen neuen Zugang zur Stimme von Shirley Bassey. Hawley im Booklet zu "The Performance": "Ich entschied mich für eine langsame Ballade anstatt für einen großen Show-Titel oder etwas zu Bombastisches." "After the rain" ist eine Metapher über den Moment, wenn der Sturm vorüber ist; das Schweigen nach dem endgültigen Bruch, die schonungslose Ehrlichkeit des Moments, nach dem alles gesagt wurde. "After the rains have gone // something inside me I know // is dying for you".

Hawley fängt diese Atmosphäre mit berückender Schlichtheit selbst in den Streichersätzen ein, wie man es sonst auf seinen eigenen Alben oder etwa bei dem Franzosen Benjamin Biolay hört. Und die Interpretin öffnet sich: Aus der glamourösen, adligen "Dame Commander of the British Empire", die sonst im funkelnden Scheinwerferlicht mit eleganten Schritten eine große Showtreppe herabsteigt, wird die verletztliche, ungeschminkte und wahrhaftige Shirley Bassey mit all den Ängsten eines Menschen und nicht einer Bühnenfigur: "This girl just can't take it anymore".

"Ich hätte nie gedacht, jemals solch ein Album machen zu können", lässt Bassey in der Danksagung wissen. Doch ohne jeden Zweifel wird es in späteren Biografien über das Lebenswerk der Künstlerin einen besonderen Platz einnehmen.

 

© Michael Frost, 21.11.2009


[Archiv] [Up]