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Musikalischer
Schmelztiegel
Gast-Beitrag von Stephan Stöckel

 

"Beck ist Mitglied bei Scientology!", rauschte es lautstark durch den Blätterwald. Bei all dem Rummel, der um des Sängers spirituelle Beichte veranstaltet wurde, geriet die Tatsache, dass der Kalifornier auch ein neues Werk veröffentlicht hat, in den Hintergrund. "Guero" heißt es. Es klingt wie ein Schmelztiegel unterschiedlicher musikalischer Kulturen, in dem sich das vielfältige musikalische Schaffen eines Künstlers widerspiegelt, der obgleich vom "Loser" zum "Winner" avanciert, stetig gegen den Strom schwimmt.

Sein kreatives Oeuvre erstrahlt dank der künstlerischen Freiheit, die er sich nimmt, mit jedem Album in immer neuen Facetten: Ob als staubiger Folk-Rap-Pionier auf seinem Debüt "Mellow Gold", als Hohepriester des Funk auf seinem Album "Midnite Vulture", oder als weltabgewandter, vom Seelenkatarrh geplagter Countrymusikant auf seinem letzten Werk "Sea Change" - Beck ist ein Hansdampf in allen Gassen, der Fachwelt und Fans immer wieder in neuem musikalischem Gewand überrascht.

Gemeinsam mit den "Dust Brothers", und unterstützt von einer illustren Gästeschar - darunter niemand geringeres als Jack White von den "White Stripes"! - hat der Amerikaner ein farbenfrohes, mitunter schräges Album erschaffen, auf dem der Künstler sein bisheriges Schaffen in neuen Songs noch einmal Revue passieren lässt. Sein zweisprachiger funky Rap "Que Onda Guero" mit einem Hauch mexikanischer Mariachi-Musik hätte auch auf "Midnite Vulture" seinen wohlverdienten Platz gehabt. Das Slide-Gitarren-Gewitter auf "Farewell Ride" mit seinem wehmütigen Flair hätte auch den Alben "Mutations" oder "Sea Change" mit ihrem Folk- und Countrysound gut zu Gesicht gestanden.

Als wollte er sein Bekenntnis zur dubiosen Scientology-Sekte künstlerisch unterstreichen, ist auf dem neuen Album immer wieder von Gott, dem Teufel und der Sinnsuche die Rede. Man höre sich nur das Lied "Missing" an! Dass Beck eine spirituelle Ader hat, wissen wir spätestens seit seinem Frühwerk "One Foot In The Grave", wo er in einer antiquierten Bildersprache und im Geiste längst verblichener Bluesheroen wie Blind Willie Johnson versuchte, mit Tod und Sterblichkeit umzugehen.

Spirituals hätten ihn schon immer interessiert, lässt er die internationale Musikpresse wissen. Doch zu seinem Engagement bei "Scientology" hält er sich bedeckt. "It's a personal thing - Das ist eine persönliche Angelegenheit", kommentiert Beck im Interview mit der New York Times die Wahl seiner Glaubensgemeinschaft lakonisch. Sogar Adam Green, dem derzeitigen Senkrechtstarter unter den Songwritern, soll er zu Scientologen-Messen mitgenommen haben. Wie die Taz erfahren haben will, soll sich Green dazu wie folgt geäußert haben: "Dort habe ich gemerkt, dass ich wohl wirklich nicht religiös bin."

Und Beck? Der lässt es an kritischem Bewusstsein mangeln. Auf Nachfrage der Times soll er das soziale Engagement der obskuren Weltverbesserer-Sekte ("Sie hilft Drogenabhängigen und bringt Kindern das Lesen bei."), der der Deutsche Verfassungsschutz "Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung" bescheinigt, über den Klee gelobt haben. Wie dem auch sei, da lob ich mir doch das neue Album "Guero", das von musikalischen Ideen nur so sprüht!

 

Beck: "Guero" (Universal)
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, April 2005

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