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Entschleunigter Folkpop mit deutschen Texten


"Bergen", so erfahren auf der Website der gleichnamigen Band in der Rubrik "Lauschige Orte", sei "ein Ort im Chiemgau, der von früher Industrie und modernem Fremdenverkehr geprägt" sei. Andererseits ist Bergen eine Stadt in Norwegen, Heimat etwa der Kings of Convenience. Vielleicht ist die Assoziation gewollt, denn Bergen ist, obgleich in Dresden beheimatet, Deutschlands nordischste Band.

"Gegenteil von Stadt" ist ein liebevoll und feinsinnig arrangiertes Songwriteralbum mit klarer, transparenter Songstruktur, wie man sie von skandinavischen Bands wie Minor Majority oder The Concretes kennt. Herrlich leichte Melodien, beständig von einer leisen Portion Melancholie begleitet, erschaffen die Atmosphäre eines milden Sommerabends und einer spontanen Zusammenkunft verschiedener Musiker und ihrer Instrumente.

In einer Branche, in der die Nennung von Produzenten häufig fast wichtiger geworden ist als der Künstler, heben Bergen sich durch die ungemein spontan und spritzig wirkende Art ihrer Arrangements positiv ab. Ihr Debütalbum ist, um es mit einem Wort zu sagen: wunderbar wie die ersten Alben von Belle & Sebastian, weil es ebenso unbekümmert und fröhlich nicht nur Gitarre, Bass und Schlagzeug zum Einsatz bringt, sondern auch Klavier, Orgel, Akkordeon, Banjo, Trompete und Xylophon.

So entsteht ein faszinierend luftiger und entspannter, entschleunigt wirkender Indie-Folk mit ungewöhnlich stimmigen deutschsprachigen Texten, ebenso unspektakulär und unaufdringlich wie die Musik, aber dennoch genauso wirkungsvoll, sympathisch und charmant - wie übrigens auch das filigran gestaltete Booklet (Katrin Schwulst).

Ob man das alles "sonderbar" findet, "weltfremd" oder "naiv", wie der Begleittext zum Album suggeriert, bleibt dem Zuhörer schließlich selbst überlassen. Im Zusammenhang mit dem bezwingenden Charme von Bergen jedenfalls verlieren diese Attribute ihren herablassenden Unterton. Sonderbar - das sind dann plötzlich die anderen.

 

© Michael Frost, 08.03.2009


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