Seit
sie 1998 in Frankreich für ihr Album "Kale Kalore"
die Auszeichnung "Bestes Album des Jahres" in der Sparte
"Weltmusik" erhielt, ist sie auch in Westeuropa keine Unbekannte
mehr: Vera Bílá, die imposante Tschechin aus dem Landesteil
Böhmen - und stimmgewaltige Angehörige des Volks der Roma.
Überall
in Europa, selbst in den USA, ist sie seit diesem ersten Erfolg zu
sehen und zu hören gewesen, und zwar immer in Begleitung ihrer
kongenialen Band "Kale", was zu Deutsch "schwarz"
bedeutet und direkt mit ihrem Nachnamen korrespondiert: Bílá
heißt "weiß".
Vera
Bílá ist eine der herausragendsten Vertreterinnen des
so genannten "Rom-Pop", dem Musikstil der Rom, der vor einigen
Jahren durch die "Gypsy Kings" populär wurde. In der
Musik von Vera Bílá fließen die Flamenco-verwandten
Tanzrhythmen der französisch-spanischen Gypsy Kings mit der robusten
Folklore, manchmal aber auch den sehr sentimentalen und melancholischen
Balladen der Roma aus den Balkanländern zusammen und bilden so
eine Brücke zwischen den verschiedenen Gruppen der europäischen
Roma.
Unterstützung
erfährt sie auf "Rovava", ihrem neuen Album - neben
den Mitgliedern ihrer bereits erwähnten Band "Kale"
und zusätzlichen Instrumentalisten auch von der polnischen Sängerin
Kayah und "Chico", unverkennbar tatsächlich ein Mitglied
der ebenfalls bereits genannten Gypsy Kings. Mit beiden singt Vera
Bílá "Amen", eine fröhliche und eingängige
Friedenshymne, mit der sie auch den Eurovision Song Contest bestreiten
könnte, zugleich das einzige Stück des Albums, das nicht
ausschließlich in Romanes, der Sprache der Roma, gesungen wird,
sondern im Wechsel mit Spanisch und Englisch.
Als
weitere Überraschung bietet "Rovava" zwei Live-Aufnahmen:
"Pre orica" wurde 2001 bei einem Konzert aufgenommen; "U
kasete" dagegen ist eine Live-Aufnahme aus Veras Küche (!).
Doch
trotz der überwiegend leichten, lebensfrohen und harmonischen
Melodien, bleibt die leibesfüllige Diva mit dem markanten Blues
in der Stimme auch auf "Rovava" (auf Deutsch: "Ich
werde weinen") dem eingeschlagenen Weg treu. Sehnsüchtige
Liebeslieder und temperamentvolle Tänze stehen im ständigen
Wechsel miteinander, doch immer auch geht es ihr um das Leid ihres
Volkes, die fortdauernde Unterdrückung, und dann wird sie mit
einfachen, aber wirkungsvollen Worten zum Sprachrohr einer Bewegung:
"Die Roma kommen zusammen, sie machen sich bereit für
einen langen Weg. Unter Schmerzen und Tränen beten wir zu Gott
für ein besseres Leben."
Angesichts solcher Textzeilen ahnt man den Unterschied zwischen folkloristischer
Romantisierung und der nicht zu unterschätzenden Brutalität
des Alltags.
Michael
Frost, 27. April 2002