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Der Großartige

 

Als ob er Melodien und Arrangements einfach so aus dem Ärmel schütteln würde. Diesen Eindruck hat man beim Hören der Alben von Benjamin Biolay immer wieder. Sein Gespür für den besonderen Sound, mit dem sich selbst noch die simpelste Notenfolge zum opulenten Werk aufblasen lässt, ist legendär. Mit wallenden Streichern machte er so bereits sein Debüt "Kennedy Rose" zum Ereignis, nachfolgend Filmmusiken, diversen Auftragsarbeiten für Ikonen der französischen Musikgeschichte wie Juliette Gréco und Françoise Hardy - und immer wieder seine eigenen Alben.

"La Superbe" ist nach "Négative" das zweite Doppelalbum, das Biolay als reguläres Studioalbum veröffentlicht - und mehr als je zuvor klingt er, als hätte er sich vor lauter Ideen einfach nicht bremsen können. Man ist überwältigt von der Fülle der Ideen und der fast brachialen Übermacht der dreiundzwanzig (!) Lieder, darunter kein einziger wirklicher Ausreißer, auf den man auch gut hätte verzichten können. Ursprünglich, so heißt es, sei die Liste der Aufnahmen doppelt so lang gewesen.

Mag sein, dass sich mancher bereits an der ersten Hälfte von "La superbe" statt gehört hat, doch tatsächlich erweist sich das servierte Gericht als derart wohlschmeckend, dass man gern noch einen Nachschlag nimmt. Nach dem fulminanten Einstieg mit dem Titelsong - mit "La superbe" ist übrigens und unverkennbar Paris gemeint, reihen sich geniale Popsongs wie das süchtig machende "Padam" (zu dem er inzwischen ein herrlich selbstironisches Video veröffentlichte),

Videolink: Benjam Biolay "Padam" / youtube  

psychedelische Rocksongs ("Miss Catastrophe"), eine berührende Pianoballade für seine Tochter ("Ton héritage), das von epischen Geigen untermalte "Night shop" und verspielten Ethnopop "Tu es mon amour" aneinander. Erneut spielt er grandios mit Sample-Elementen, diesmal mit der Stimme der Tango-Legende Carlos Gardel ("Buenos Aires"), "La toxicomanie" ist ein von Chet Baker inspirierter Cool-Jazz-Song, der den Abschluss und Höhepunkt der ersten Hälfte des Albums einläutet: "Brandt Rhapsody", ein Duett mit Jeanne Cherhal in bester französischer Duo-Tradition. Von hier aus fehlt nicht mehr viel zu Gainsbourg/Birkin, und vielleicht gilt für "La superbe" insgesamt, dass Biolay seinem Idol Serge Gainsbourg nie näher kam als mit diesem Album.

In Frankreich war Benjamin Biolay einige Zeit - zu seinem eigenen Leidwesen - durch seine gescheiterte Ehe mit der Tochter von Marcello Mastroianni und Catherine Deneuve fast bekannter als durch seine Musik. Auch eine Affäre mit der Präsidenten-Gattin Carla Bruni-Sarkozy wurde ihm angedichtet. "La superbe", bereits im Oktober 2009 erschienen, rückte jedoch wieder den Musiker in den Vordergrund. Biolay erhielt dafür den "Victoire de la Musique", den wichtigsten französischen Musikpreis in den Kategorien "Künstler des Jahres" und "Album des Jahres".

In Deutschland hat man auch ein Jahr nach der Veröffentlichung leider noch nicht so recht Kenntnis genommen von diesem außergewöhnlichen Album.

Auch deshalb haben wir es nun als vorerst letzte "CD der Woche" ausgewählt, denn die Redaktion von CD-Kritik.de verabschiedet sich hiermit in eine einjährige Auszeit, in der ein komplettes Redesign unseres Magazins realisiert werden soll. Wir bedanken uns einstweilen für das rege Interesse an unseren Empfehlungen und hoffen, dass Sie in unseren Archiven weitere interessante Tipps finden werden.

Im Herbst 2011 geht es an dieser Stelle weiter. Merci et à bientôt!

 

© Michael Frost, 01.10.2010


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