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Das Prinzip Hoffnung
von Hans Happel


Ihre Musik hat eine Botschaft: das biyuya ensemble schlägt einen politischen Ton an, die Sängerin Vera Westera und fünf Instrumentalisten knüpfen zwar nicht an die politischen Lieder der 60-er Jahre an, auch nicht an die klassischen Antikriegslieder der Friedensbewegung, aber sie machen Musik gegen den Krieg, besser: zur Erinnerung an die Opfer eines Krieges, der vor wenigen Jahren mitten in Europa ausgebrochen war.

Breakdown.yu heißt das Album und die Musik des Komponisten, Texters und Gitarristen Bojan Vuletic ist ein Requiem, ein Trauergesang auf die Toten, die "Displaced persons", die Flüchtlinge des Krieges im ehemaligen Jugoslawien.

Breakdown.yu - das sind herzzerreißend melancholische Töne in ungewöhnlichen Klangfarben. Die sechs Musiker, allesamt klassisch ausgebildet, haben sich am Konservatorium im niederländischen Arnheim kennengelernt. Sie betonen - im Presse-Info -, dass es nicht ihr Ziel sei, die Opfer "auf eine geschmacklose Art" zu instrumentalisieren, und diesen Eindruck weckt ihre Musik in keinem Fall.

Im Gegenteil: Sehr leise, sehr intim ist dieser Trauergesang, in dem Geige (Marie Loesche), Bratsche (Friedmar Hitzer), Akkordeon (Bart Lelivelt), Kontrabass (Dion Nijland), sowie die Jazz-Gitarre des Komponisten gemeinsam mit der warmen und klaren Stimme Vera Westeras ein feinfühlig filigranes Klangnetz erzeugen, in dem Weltmusik, Tango-Flair a la Piazzola, die minimalistische Kammermusik eines Philipp Glass und puristischer Sprechgesang zu einer Musik von geradezu schmerzhafter Schönheit fusionieren.

Leider hat die Gruppe es versäumt, die englischen Texte der 10 Songs oder Stücke im Booklet abzudrucken, was ihrem eigenen Anspruch entgegengekommen wäre.
Dennoch läßt sich heraushören, dass hier die Geschichte eines Krieges in Momentaufnahmen erzählt wird, zum Beispiel in "sniper avenue", in dem vom täglichen, lebensgefährlichen Überqueren einer großen Straße die Rede ist, die von Heckenschützen unter Beschuß genommen wird.

Es ist eine größtenteils streng durchkomponierte Musik, dicht gewebt, ihre kleinen, zum Teil folkloristischen Melodiepartikel, ihre gelegentlich schroffen Akzente und Ausbrüche, strukturieren den Erzählduktus des Gesangs.

Breakdown.yu lebt in weiten Teilen von dem Kontrast zwischen lyrischem Wohlklang und Aussage, lebt von der außerordentlichen Wärme dieser Stimme, die von einer humanen Katastrophe singt, während ihr Tonfall zugleich von etwas ganz anderem kündigt, von einem Aufgehoben-Sein, das die Geschichte und die Geschichten, die hier verhandelt werden, negieren möchte: "Its a vacuum inside of me" heißt es in einem der Stücke, und hörbar ist, was diesem Vakuum entgegengesetzt wird: Die Schönheit, die hier zum Trost und zum Prinzip Hoffnung wird.

Die Musiker sind allesamt Virtuosen auf ihren Instrumenten, alle haben vielfältige Erfahrungen mit zeitgenössischer Kammermusik, mit Bühne und Theater, und der Komponist hat diese Vielfältigkeit in die Musik einfliessen lassen, ohne eklektizistisch zu werden. breakdown.yu ist trotz aller Anspielungen kein Zitaten-Kompendium, sondern eine eigenständige Komposition, die das Mitgefühl und Mitleiden ohne jede Süßlichkeit zum Thema macht. Das ist ein Wagnis, aber die Schlichtheit, mit der diese Musiker sich ihm widmen, überzeugt.

"Biyuya Ensemble: Breakdown.yu"
ist ein Beitrag von Hans Happel für CD-KRITIK.DE
© Hans Happel, 08. Januar 2004

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