Es 
          ist wohl Teil des afrikanischen Dilemmas, dass die ökonomische 
          Abhängigkeit des Kontinents von Europa und den USA und die Auswirkungen 
          der Kolonialzeit auch zu einer Vernachlässigung eigener kultureller 
          Werte führte. Dass viele afrikanische Musiker sich eher am Ausland 
          als an den eigenen Traditionen orientierten, beobachtete beispielsweise 
          der US-amerikanische Musikproduzent David Schommer in Äthiopien. 
           
          Schommer 
            kennt sich in dem Land aus, seitdem sein Vater in den 1950er Jahren 
            in Addis Abeba die Gründung der ersten Universität Äthiopiens 
            begleitete. Seither reist er regelmäßig in das Land - zuletzt 
            mit einigen Musikerkollegen aus New York, mit denen der das Projekt 
            "Bole2Harlem" gegründet hatte. 
          "Bole 
            ist der Ausgangs- und Zielpunkt in Äthiopien", sagt Schemmer, 
            "und Harlem ist der Ausgangspunkt für aktuelle afrikanische 
            Musik in Amerika." So wolle das Projekt eine Brücke zwischen 
            diesen beiden Punkten bilden, symbolisch zurückgelegt mit einem 
            klapprigen VW-Transporter, der das Cover des Album-Debüts ziert.
          "Ein 
            bisschen von allem" habe das Album, sagt Schemmer und meint damit 
            die multikulturellen Einflüsse New Yorks, wo die Band zuhause 
            ist - obwohl ihre Mitglieder sowohl künstlerisch als auch geografisch 
            aus verschiedenen Hemisphären stammen. Balla Tounkara etwa stammt 
            aus Mali, von dort brachte er die Kora, eine Stegharfe, mit. Dave 
            Eggar ist Geiger, Maki Siraj rappt, und von dem berühmten Percussion-Ensemble 
            "Stomp" stieß Davi Vieira zu "Bole2Harlem". 
            Als Sängerin wurde die Äthiopierin Tigist Shibabaw engagiert.
          In 
            dem Sound des Bandprojekts treffen schließlich beide, die äthiopische 
            Welt und die von Harlem, aufeinander. Hiphop, Reggae, Roots, Soul 
            und Pop koexistieren dabei nicht nur, sondern wachsen zusammen, wobei 
            die ursprünglichen Identitäten nicht aufgegeben, sondern 
            gestärkt werden. Diesen Beweis anzutreten ist vielleicht der 
            Sinn und die besondere Bedeutung von "Bole2Harlem", dessen 
            Grundidee sich hoffentlich immer weitere Musiker zu eigen machen werden 
            - übrigens nicht nur in Afrika. Denn das uninspirierte Kopieren 
            des angloamerikanischen Mainstreams ist beileibe keine afrikanische 
            Erfindung.
            
          © 
            Michael Frost, 08.07.2007