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Melancholie vor
Flusslandschaft


Über der Landschaft, die das Album-Cover ziert, liegt etwas Dunkles, Unheilvolles. Die graubrauen Wolken hängen wie eine Drohung über der Szenerie, und die kleinen Häuser entlang der Flusslandschaft erscheinen als dunkle, in ihren Details nicht mehr erkennbare Masse. Einige wenige Bäume überragen die Szenerie und spiegeln sich im purpur eingefärbten Wasser des Flusses.

Mehr Aufschluss gewähren Bombay 1 ihren Zuhörern nicht. Songtexte und andere Notizen im Booklet wurden unkenntlich gemacht. Allein zwei Fotos auf der Innenseite geben Aufschluss über das Duo: links Stoya, der Sänger, rechts Kurt Dahlke alias "Pyrolator", Herrscher über analoge und digitale Tasten. Letzterer gehört zur Gründungsbesetzung der legendären NDW-Kapelle "DAF", während Stoya auf eine wechselhafte Karriere als DJ, Plattenladenbesitzer und Hausbesetzer zurückblickt.

Unter ihrem gemeinsamen Bandnamen "Bombay 1" veröffentlichten sie bereits zwei von Techno und Electro geprägte Sounds, doch "Strobl" lässt sich längst nicht mehr so einfach zuordnen. Am ehesten möchte man es als Songwriter-Album bezeichnen, denn damit wäre die intime, leise und akustische Atmosphäre angedeutet, die das Album trägt. Spielerische Elemente, digital erzeugt, ergänzen die melancholische Stimmung, verstärken oder verfremden sie. Bonbonfarbener Chorgesang trägt zaghafte Frühlingstöne in die gedämpfte Szenerie ("Newsweek"), ein Flügel vermittelt klassische Eleganz ("Old street"), das Indigo String Quartett signalisiert Erhabenheit.

Auch in sprachlicher Hinsicht wechselt "Strobl" zwischen Vielseitigkeit und Abstraktion. Es geht Bombay 1 wohl nicht zuerst darum, Botschaften in Worten zu vermitteln, vielmehr wird der Klang der Sprache in die Musik eingebettet. Der zweisprachige Titel "Oh non - pas moi", ein Duett zwischen Stoya und dem betörenden französischen Flüstergesang von Victoire de Brossolet, wird von dissonante Computersounds und wummerndem Bass weit unterhalb der Null-Grad-Grenze schockgefrostet - hier scheint die Stimmung des Covermotivs von "Strobl" nahezu direkt umgesetzt worden zu sein.

Das kurze Intermezzo "Hello walls" dagegen beginnt mit einem schwedisch gesprochenen Intro, die darauf folgenden Streicher (Indigo String Quartett) und Blechbläser wirken wie ein freundschaftlicher Gruß an die nordische Songwriter- und Elektroszene (Múm, Sigur Rós u.a.).

Dennoch: "Strobl" allein auf seine melancholische Mentalität festlegen zu wollen, wäre zu kurz gegriffen. Vielleicht deshalb schieben Stoya und Pyrolator herrliche Songs wie das kraftvolle "Bright new day" in der zweiten Albumhälfte nach. Mit "We're lucky (anyway)" schufen sie gar einen veritablen Ohrwurm mit hemmungslos intoniertem Refrain "We are lucky anyway - hey hey hey ..."

Die Eindrücke, die nach dem Hören von "Strobl" bleiben, sind letztlich so vielseitig wie das Album selbst. Schon deshalb wird man es immer wieder hören wollen.

© Michael Frost, 29.04.2005

 

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