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Der Herr der Zeit


Die meisten Künstler werden älter. Zum Zeichen ihrer bewegten Vergangenheit tragen sie Falten im Gesicht, tiefer als die Canyons der Rocky Mountains, oder sie lassen sich Haare implantieren und sehen dann aus wie ihre eigene Karikatur, und schlimmstenfalls klingt dann auch ihre Musik so.

Dagegen gibt es nur wenige Künstler, denen die Zeit nichts anhaben kann, die nicht von ihr übermannt werden; Künstler, die sich ihrerseits die Zeit zu Nutzen machen, um sich ständig neu zu erfinden. Zu diesen ungewöhnlichen "Herren der Zeit" gehört auch David Bowie, und sein Album "Hours" mag als Beleg dafür herhalten.

Hours, sagen Kritiker, sei erstmals seit längerer Zeit wieder ein publikumstaugliches Album Bowies. Der Erfolg bestätigt diese Einschätzung, wenngleich der Begriff der Kommerzialität unterschwellig als Vorwurf daherkommt, im Gegensatz zu der Avantgarde-Position, die David Bowie im Verlauf seiner einzigartigen Karriere immer wieder einnahm.

Fakt aber ist: "Hours" ist ein Pop-Album erster Güte, die Platte eines Profis, der sich auf der Höhe der Zeit befindet, ohne es nötig zu haben, ihr nachzulaufen.

"Hours" begründet natürlich nicht Bowies Ruhm, aber bestätigt ihn. Auf "Hours" klingt er jung und frisch wie eh und je, nie aber anbiedernd oder künstlich. Nach wie vor schüttelt er Ohrwürmer wie "Thursday's Child" offenkundig genau so leicht aus dem Ärmel wie unverkrampfte, überwiegend von akustischer Gitarre begleitete Balladen ("Seven") oder psychedelisch anmutende Mini-Opern wie "What's really happening" und formuliert in den Texten außerdem fast noch philosophischen Anspruch.

Zuhören kann so anregend sein !

Michael Frost / 23. September 2000