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Die Magie
der frühen Jahre


Worte, Gedichte und Lieder von entfernten Völkern - "entfernt in Zeit und Raum", so Branduardi, sammelt der lombardische Cantautore bereits seit vielen Jahren. Das übergreifende Thema: Die Liebe. Die überwiegend naturalistisch gefärbten Texte, die von Branduardis Frau und Co-Autorin vieler seiner seit 1974 erschienen Alben (inzwischen an die zwanzig) Luisa Zappa ins Italienische übertragen wurden, zeugen von einer Spannbreite zwischen Shakespeare ("Giovane per sempre") und der antiken Dichtung des Römers Catull ("Ille mi par esse deo"), der Dichtkunst afghanischer Paschtunen im 16. Jahrhundert, nordamerikanischen Indianern und lybischen Beduinen. Vierzehn sehr verschiedene Texte aus seiner Sammlung wählte Branduardi für sein neues Album aus. "Sie sind in ihrer Kultur, Tradition und Gebräuchen so weit voneinander entfernt", schreibt Branudardi im Begleittext zu "Altro ed altrove" (Anders und anderswo), "und dennoch vereint in dem universellen Gefühl der Liebe".

Das Vorhaben erscheint anspruchsvoll, doch Branduardi gibt selbst zu, sich bei der Adaption der Texte viel Freiheit genommen zu haben. Außerdem sei "Altro ed altrove" kein "ethnologisches" Projekt. Arabische Poesie wird nicht etwa auch in arabische Rhythmik gekleidet, sondern in den typischen Branduardi-Sound zwischen Pop, Ballade, Belcanto und Folklore. Insofern handelt es sich bei den vierzehn Titeln des Albums gewissermaßen um eine nahtlose Fortsetzung seiner bisherigen Alben, wenn auch zum Teil mit anderen Mitteln bzw. Textquellen. Doch Branduardis Quellensuche macht nicht bei den Texten Halt, sie bezieht sich auch auf die Musik. Und auch hier ist er fündig geworden:

Vierzehn Jahre nach "Orinoco Flow" hat Angelo Branduardi Vokalharmonien und Rhythmik der irischen Sängerin Enya für seine Arbeit entdeckt. Selbst eingeschworene Fans sind verwundert über die kaum zu überhörenden Anleihen in dem Titel "Il straniero", die Branduardi zwar nicht explizit benennt, die jedoch zu präsent sind, um ernsthaft bestritten werden zu können.

Abgesehen von Enya gibt es noch weitere Zitate mit Herkunft im irischen Folkpop, daneben mehr als nur einen Hauch von Ravels Bolero, und immer wieder: Branduardi selbst. Ganze Passagen seiner Klassiker "La pulce d'acqua", "Si può fare" und "La luna" brachte er in seinen neuen Kompositionen unter ("Io canto la ragazza dalla pelle scura", "La signora dai capelli neri", "La ballata del Fiume Blu"): Ein, zwei Takte zusätzlich, und er müsste sich selbst Tantiemen überweisen.

Die vielen Rückverweise auf frühere und fremde Kompositionen irritieren, denn aufgrund der Vehemenz, mit der sie vorgetragen werden, muss einigen der neuen Lieder die Eigenständigkeit bestritten werden. Eine objektive Beurteilung wird dadurch unmöglich, wenngleich festzuhalten ist, dass es Branduardi mit einigen Titeln durchaus gelingt, die Magie seiner frühen Alben wenigstens zu streifen ("Laila, Laila" und "Il bacio"), und tatsächlich klingt die Aneignung des Enya-Sounds mit ihren feierlichen und samtweichen Keyboard-Harmonien durchaus glaubwürdig und in gelungener Übereinstimmung mit seinem Gesang und der Thematik des Albums.

Für den teils recht opulenten Klangteppich sorgen allein Branduardi und Begleitmusiker Carlo Gargioni. Mit der Sopranistin Cecilia Gasdia gibt es ein Duett ("L'ambasciata a Shiragi"), und erstmals ist auch Maddalena Branduardi, eine der beiden Töchter Branduardis und seiner Frau Luisa, als Background-Sängerin beteiligt.

Fazit: Nach 18 Alben, unzähligen Kooperationen und einer dreißigjährigen Karriere wird kein Künstler das Rad neu erfinden. Angelo Branduardi, der immer wieder gern als "moderner Minnesänger" tituliert wird, bleibt seinem Ruf auch mit "Altro ed altrove" treu. Und warum sollte er sich nicht auf seine Stärken konzentrieren ? Zumal dann, wenn einer der Höhepunkte des neuen Albums die überarbeitete Fassung eines Titels ist, den er bereits auf seinem Album-Debüt von 1974 interpretierte: "Ch'io sia la fascia". Die äußerst gelungenen neuen Arrangements und die berückende Atmosphäre könnten den Weg für das nächste Projekt weisen, nach dem Motto "Branduardi singt Branduardi". Dann bekäme einen offiziellen Charakter, was jetzt nur zwischen den Zeilen zu hören ist.

© Michael Frost / 1. Februar 2003

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