Die 
          Aspekte-Redaktion des ZDF machte bei der Berlinale 2005 Zuschauer aus, 
          die "rhythmisch schwebend das Kino verlassen" hätten. 
          Sie kamen aus "Brasileirinho", einem Dokumentarfilm des finnischen 
          Regisseurs Mika Kaurismäki. In der Tradition der Musikdokumentationen 
          von Wim Wenders ("Buena Vista Social Club") folgt Kaurismäki 
          in seinem Film eine Musikergruppe (Trio Madeira Brasil) bei Reisen, 
          Proben und Auftritten durch Brasilien.  
          Dabei 
            geht es Kaurismäki vor allem darum, den Wurzeln des "Choro", 
            Brasiliens erstem urbanen Musikstil, nachzuspüren, der bereits 
            in den 1870er Jahren entstand und Einflüsse lateinamerikanischer, 
            europäischer und afrikanischer Rhythmen miteinander verband. 
            Bis heute gilt der Choro als Kulturen und Generationen umspannender 
            Sound, der selbst die soziale Trennung der Bevölkerung - wenigstens 
            zeitweise - vergessen machen kann. 
          Die 
            CD, die nun - einen Monat vor dem Kinostart von "Brasileirinho" 
            - erscheint, präsentiert den "Choro" als einen betont 
            einfachen und schlicht arrangierten Musikstil, in dessen Mittelpunkt 
            Gitarren, Percussions, Bläser und Mandolinen stehen. Gesungen 
            wird selten, Aufmerksamkeit und Applaus gelten den Soli der Instrumentalisten. 
            Spontaneität ist ein wichtiges Element dieser Musik: Vieles klingt 
            eher wie eine Jamsession, die ganz von der Fähigkeit der Musiker 
            zur Interaktion lebt und ihrer Improvisationskunst einen hohen Stellenwert 
            einräumt. 
          Das 
            Trio Madeira Brasil beherrscht den Choro meisterhaft. Ihr Sound ist 
            so einfach und schnörkellos, wie die Tradition es verlangt, und 
            ebenso temperamentvoll, feurig und leidenschaftlich - manchmal allerdings 
            auch melancholisch und zurückhaltend. 
          Nicht 
            nur Mika Kaurismäki ist von dieser alten, aber erstaunlich zeitlosen 
            Musikform gefangen: nach "Moro no Brasil" drehte er bereits 
            seinen zweiten Film über die Musik Brasiliens. Vielleicht gelingt 
            es ihm mit "Brasileirinho", den Einfluss seines Bruders 
            Aki in Finnland zu brechen. Denn Aki Kaurismäki, ebenfalls Filmregisseur 
            und nicht minder berühmt als sein älterer Bruder Mika, erhob 
            einst den "finnischen Tango" zur Marke. "Tango ist 
            nun einmal unsere Nationalmusik", sagt Aki Kaurismäki mit 
            schräger Ironie, doch wer weiß: vielleicht sieht man die 
            Finnen (und nicht nur sie) schon bald zu einem neuen Sound "rhythmisch 
            schweben": zum "Choro". 
            
          © 
            Michael Frost, 06.05.2006