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Fast nichts gewesen


Das Interessanteste an Carla Brunis neuem Album ist, möchte man meinen, dass es überhaupt erscheint. Wann hat es das schon einmal gegeben, dass die "First Lady", respektive "Première Dame" eines Landes ein Album aufnimmt - von Kinderliedern für mildtätige Zwecke vielleicht einmal abgesehen?

So benimmt sich "Comme si de rien n'était" aber, als ob tatsächlich nichts gewesen wäre: Carla Bruni, die nach Model-Karriere und zwei wohlwollend kommentierten (und wirklich respektablen) Popchanson-Alben den französischen Präsidenten heiratete, schickt nun das dritte Werk nach. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre eigenen Karriere unabhängig von ihrer neuen Rolle weiter verfolgt, darf getrost als Sieg der Emanzipationsbewegung verbucht werden.

Dass es ein "Weiter so" für Bruni jedoch nicht geben kann, bewies der ungewohnte Trubel: Jede Note, jede Zeile wurde bereits bewertet. Wo ließen sich Anstößigkeiten, womöglich intime Anspielungen auf das Leben im Elysée finden? Die kolumbianische Regierung verwahrte sich gegen Brunis Textzeile "Tu es ma carme // plus dangereux que la blanche colombienne" (Du bist mein Karma // gefährlicher als kolumbianischer Schnee) - während von der afghanischen Administration Vergleichbares über den Vers "Tu es ma ma carme // plus mortel que l'héroine afghane" (Du bist ... tödlicher als afghanisches Heroin) übrigens nicht zu hören war. An die Konzert-Tournee einer Präsidenten-Gattin ist wohl schon aus Sicherheitsgründen nicht zu denken, und ein eigenes Einkommen einer First Lady sprengt dann wohl auch den Rahmen des Gewohnten: Carla Bruni hat früh angekündigt, dass sie den Erlös aus dem Album-Verkauf karitativen Zwecke zufließen lassen werde.

Aber: Abseits der medialien Aufmerksamkeit über das Drumherum hätte man fast überhört, dass "Comme si de rien n'était" Brunis bisher bestes Album ist, großartig, unterhaltsam und temperamentvoll arrangiert. Es beginnt zunächst noch etwas getragen, mit einer sentimentalen Zwiesprache mit der eigenen Jugend ("Ma jeunesse") und einer sanften Ballade, in der Bruni ein Gedicht von Michel Houellebecq vertont ("La possibilité d'une île") - ein atmosphärischer Höhepunkt des Albums, das anschließend langsam an Fahrt gewinnt, zunächst mit dem von Benjamin Biolay arrangierten Streichquartett in "L'amoureuse", später mit gehissten Segeln in "Salut marin" und leiser Mundharmonika.

Im schnellen "La tienne" stellt Carla Bruni dann endlich ihr italienisches Temperament unter Beweis, ihre Bereitschaft allerdings, zugunsten des Liebsten auf ihre Eigenständigkeit zu verzichten, wie sie in dem Lied bekundet ("Je fais une croix // sur tous mes emblèmes // sur ma carrière d'amazone // et sur ma liberté souveraine"), muss hoffentlich nicht auf die Goldwaage gelegt werden.

Im Verlauf von "Comme si de rien n'était" erlebt man Carla Bruni noch in verschiedenen Facetten. "You belong to me" ist eine sparsam instrumentierte Blues-Ballade, in deren Zusammenhang dann endlich auch die Rede auf Brunis ruhige, rauchige Stimme kommen muss, die auf dem Album von Produzent Dominique Blanc-Francard immer wieder vorzüglich in Szene gesetzt wird, am stärksten vielleicht zum Abschluss, in dem Bluesgrass-inspirierten "L'antilope". Bruni hat es sich außerdem erneut nicht nehmen lassen, wenigstens ein Stück in ihrer Muttersprache zu singen: "Il vecchio e il bambino", ein Lied des Anarchisten Francesco Guccini über falschen Euphemismus und vermeintlich "blühende Landschaften". Eine Botschaft an den Gatten? Wohl kaum. Eher eine schöne Geschichte zum Abschluss.

Für nicht wenige Franzosen und Ausländer ist die Bohème-Linke Carla Bruni durch ihre Heirat mit dem rechten Präsidenten zur "persona non grata" geworden, bestenfalls zum Opfer köstlicher Satire, so wie in Silke Burmesters wöchentlich heiß ersehnter taz-Kolumne des "Geheimen Tagebuchs der Carla Bruni". In Anlehnung an eine kolportierte PR-Idee für einen CD-Aufkleber, dass man Sarkosy nicht lieben müsse, um die Musik seiner Frau zu mögen, möchte man Skeptikern entgegegnen, dass man ebenso wenig ihre privaten Entscheidungen nachvollziehen muss. Carla Bruni ist in dieser Hinsicht jedenfalls längst einen Schritt weiter und unterstreicht ihre eigenständige Position als Künstlerin. Und ihr Album ist allemal jede Aufmerksamkeit wert.

© Michael Frost, 09.08.2008

 


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