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Versonnenes aus dem
New Yorker 'Atelier'


In musikalischer Hinsicht hat Brasilien längst zwei Hauptstädte: Rio de Janeiro und New York. Dort nämlich leben viele der Künstler, die sich der brasilianischen Musik so weit öffneten, dass sie ihrerseits eine Szene etablierten, zu ihrerseits auch brasilianische Musiker anzog. So entstand ein internationaler Kreis, zu dem unter anderem David Byrne, Laurie Anderson, Bebel Gilberto, Arto Lindsey, Ryuichi Sakamoto sowie Jacques und Paula Morelembaum zählen - und Vinicius Cantuária, den das französische Musikmagazin "Les Inrockuptibles" als "emanzipierten Erben von Tom Jobim, Chet Baker und Miles Davis" beschrieb.

Cantuária ist inzwischen einer der einflussreichsten Komponisten und Musiker Brasiliens, und die Liste seiner Kooperationspartner besticht sowohl durch Masse als auch durch Klasse. Auf seinem neuen Album "Cymbals" sind Gitarrist Marc Ribot und Jazz-Pianist Brad Mehldau zu hören. Vor allem Mehldau dokumentiert durch seine Beteiligung Cantuárias Grenzgänge zwischen Bossanova und Jazz, doch Cantuária seinerseits lässt keinen Zweifel an seinen brasilianischen Wurzeln und unterlegt Mehldaus Spiel in fast ironischer Brechung mit Percussions und Ukulele.

Das leise Temperament der Bossanova steht auch auf "Cymbals" immer im Vordergrund, unterstrichen durch Cantuárias verhalten-versonnenen Gesang, akustische Gitarre und sanfte, aber mitreißende Rhythmik.
Dass er dennoch ein Verfechter eines zeitgemäßen und undogmatischen - weil genreübergreifenden - Sounds ist, versucht er in kalkuliertem Understatement zu verbergen. Doch auf die eine oder andere elektronische Spielerei mag er ebenso wenig verzichten wie auf klassische Elemente: "Prantos" etwa ist ein gefühlvoller Dialog zwischen Cantuárias Gesang und einem Cello (Eric Friedlander).

Andere Stücke wiederum reißen durch ihr Temperament mit, Jobims "Vivo sonhando" zum Beispiel, das gemeinsam mit Angelique Kidjo geschriebene "Ominira" und das von brasilianischen Trommlern dominierte "O bataque".

"Cymbals" vereint ein großes Spektrum gegenwärtiger brasilianischer Musik. Zudem dokumentiert Vinicius Cantuária seine besondere Fähigkeit, seine Wurzeln in Auseinandersetzung mit anderen Stilen weiter zu entwickeln und seinen Sound dadurch fast unmerklich immer weiter zu variieren.

In New York findet er dafür den passenden Boden. Dort unterhält er sogar ein Studio, sein "Atelier", in dem er täglich musiziere. Man kann sich gut vorstellen, wie er dort gelegentlich den einen oder anderen illustren Musikerkollegen empfängt, mit ihm etwas probt, bis daraus ein gemeinsamer Song entstanden ist, der für eine spätere Veröffentlichung festgehalten wird.

Wer demnächst an Cantuárias Studiotür geklopft haben wird, wird man dann später auf einem weiteren Album erfahren.

© Michael Frost, 14.10.2007

 


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