Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

"Jacques Tati
als Melodie"


Synthetische Loops, Akustikgitarre, Ukulele, Melodica und Spielzeugklavier. Dazu ein Albumcover mit einer nackten Minnie Mouse. Und ein Titel, den man erst versteht, wenn man ihn laut vorliest: Mètode de Rocanrol. Rocanrol - Rock'n'Roll.

Schon die Wahl der Instrumente lässt erkennen, dass Pascal Comelade ein sehr eigensinniges Verständnis von Rock'n'Roll hat, das bisweilen eher an die verträumten Instrumental-Etüden seines Kollegen Yann Tiersen erinnert (Filmmusik zu "Die fabelhafte Welt der Amelie") als an krachenden Gitarrensound und ekstatischen Hüftschwung. Dabei ist Comelade der Pionier des Genres: Seine Instrumentalmusik ist Kino für den Kopf, sie klingt wie Filmmusik, auch wenn der Film dafür im Einzelfall erst noch gedreht werden muss. Doch natürlich gibt es auch andere Beispiele. Filmemacher Andreas Dresen etwa, der schon Yann Tiersen für die Musik zu "Goodbye Lenin" gewann und die Berliner "17 Hippies" in seinen großartigen Film "Halbe Treppe" einbaute, engagierte Comelade für die Musik zu seiner liebevollen Sozialkomödie "Sommer vom Balkon".

Die Auseinandersetzung mit den Helden des Rock'n'Roll vollzieht Comelade auf anderer Ebene. "Elvis loved dogs" verrät er in einem skurrilen Stück aus Plastikgitarre und Saxophon, und dies ist noch einer der nachvollziehbareren Songtitel. Unter "Mossen xemineia a l'heliogàbal" mag man sich alles Mögliche vorstellen, zumal die Musik von einer furchtbaren Farfisa-Heimorgel unterlegt wird, deren Klang tief in die geschmacklichen Verirrungen der frühen 80er Jahre verweist.

Weite Strecken dieses bizarren Albums klingen, als hätte Comelade die typischen Spielzeuginstrumente aus diversen Kinderzimmern eingesammelt, in ein Aufnahmestudio verfrachtet, unter seinen nicht minder überdrehten Begleitern aufgeteilt, ein paar Gläser zuviel getrunken und dann verrückte Stücke wie "smog on the vermut" oder "noia de porcellana" aufgenommen.

Dennoch ist eine Vielzahl hochspannender und durchaus ernsthafter Rhythmen und Stile erkennbar: Musette, Tango, Polka, Jazz, Bolero, Blues, Balkan Brass, Morricones Western-Soundtracks - ja, selbst der gute alte "Rocanrol" blitzt an einigen Stellen auf. Allerdings ist der Sound dabei meist betont absurd und künstlich, man erinnert sich bisweilen an die grausigen Auftritte minder begabter Alleinunterhalter mit Keyboard bei ländlichen Hochzeitsfeiern, oder, wie es der Pressetext zur Veröffentlichung (der hier eher den Charakter einer Gebrauchsanleitung bekommt) zutreffend beschreibt: Man stelle sich Jacques Tati als Melodie vor, also das Bild eines freundlich Unbedarften und Naiven in einer komplett absurden Welt, dann komme man der Mètode de Rocanrol recht nahe.

© Michael Frost, 08.03.2008

 


[Archiv] [Up]