Großes 
                    Orchester, ein Streichquartett, Big Band, ein einsames Piano, 
                    eine Stimme mit männlich rauem Charme und dennoch fast 
                    jungenhaft, weich geschwungene Melodien, deren Wehmut süchtig 
                    machen kann - das ist Elvis Costello, Meister der Metamorphosen, 
                    der auf seiner neuen CD "NORTH" zeigt, dass er der 
                    Cole Porter des 21. Jahrhunderts werden will. 
                  Der 
                    musikalische Grenzgänger, der in den letzten Jahren mit 
                    dem Brodsky-Quartett, mit Burt Bacharach oder mit der Opernsängerin 
                    Anne Sofie von Otter zusammen gearbeitet hat, legt mit NORTH 
                    ein musikalisches und persönliches Bekenntnis vor, das 
                    durch seine Geschlossenheit besticht. 
                  Er 
                    erzählt in 12 Songs, sämtlich Eigenkompositionen, 
                    von altem Liebesleid und neuem Liebeserwachen, von der ewigen 
                    Ungeduld und von der Angst, nichts als ein egoistischer Junge 
                    zu sein, a selfish boy. Und er versucht sich an Liebesliedern, 
                    in die die vergangenen Schmerzen eingeschrieben sind, und 
                    die dennoch eine naive Frische in sich tragen. 
                  Vielleicht 
                    ist dies das Liebeslied, das ich // für sie nicht schreiben 
                    wollte, als ich sie // noch liebte singt Costello in WHEN 
                    IT SINGS. Der Song steht in der Mitte des Albums, wo die Farben 
                    der Musik und die Melodien aufhellen, weil eine andere Frau, 
                    a marvellous girl, seinen Weg gekreuzt hat. Er singt von der 
                    new flame, aber die stürmische Leidenschaft wird in die 
                    klassischen Streichquartett-Klänge des Brodsky-Quartetts 
                    gehüllt und das Pathos endet im Tonfall eines Wiegenlieds 
                    (And you say, Darling, hush, hush, still, still). 
                  Das 
                    ist die Kunst von Elvis Costello: Da wagt sich einer mit knapp 
                    50 Jahren an Liebeslieder heran, die die zarte Poesie und 
                    die zerbrechlichen Posen des jungen Mannes beschwören, 
                    und Costello rettet diese schlichte Sentimentalität vor 
                    dem Absturz ins schmachtend Peinliche durch die - immer leicht 
                    ironische, die formvollendete Eleganz seiner Songs, die etwas 
                    bestrickend Altmodisches bewahren, - Musicalanklänge, 
                    Filmmusikmuster aus vergangenen Jahrzehnten, Swingelemente 
                    - und die von einer bewegenden Stimme getragen werden, in 
                    der die Spuren des Alters keinen falschen Ton mehr zulassen. 
                    
                  Programmatisch 
                    ist der vorletzte Titel I´M IN THE MOOD, ein Song, in 
                    dem alles in der Schwebe zu sein scheint, in dem der Sänger 
                    schon wieder unterwegs ist, und die unglaublichen Zeilen singt 
                    YOU TOOK THE BREATH RIGHT OUT OF ME // NOW YOU´LL FIND 
                    IT IN THE EARLY OURS // IN A LOVER´S SONG. Da begleitet 
                    sich Costello ausnahmsweise selber am Piano, während 
                    sonst dezent und einfühlsam sein langjähriger Pianist 
                    Steve Nieve zu hören ist (häufig mit Peter Erskine 
                    an den ganz zurückgenommenen Drums). Daneben prägnante 
                    Zwischenspiele auf dem Flügelhorn (Lew Soloff) oder auf 
                    dem Altsaxophon (Lee Konitz). NORTH bewegt sich von tiefer 
                    Dunkelheit (YOU LEFT ME IN THE DARK) in lichtere Bezirke, 
                    die aber keineswegs fragloses Glück verkünden. 
                  Der 
                    Schlußtitel IMPATIENCE - im lässig swingenden Big-Band-Kleid 
                    - spricht von der Ungeduld des Liebenden, die alles zerstören 
                    kann TELL ME IS THERE DANGER STILL? Eine herbe Melancholie 
                    prägt und imprägniert Elvis Costellos Reise in den 
                    Norden, die unvermeidlich eine Reise in die Einsamkeit ist, 
                    das Coverfoto zeigt es an: Da marschiert der Musiker im wehenden 
                    Trenchcoat bei stürmischem Wetter über eine Kopfsteinpflasterstraße 
                    in irgendeinem alten Industriegebiet. Aber auf der Rückseite 
                    dieses sorgfältig gemachten Booklets - mit allen Songtexten 
                    (in vier Sprachen!) - strahlt sein Gesicht die abgeklärt 
                    sanfte Weisheit eines sehr erwachsenen Jungen aus. 
                  "Die 
                    Überklugen mögen // ihre Hiebe und clevere Kritik 
                    verschärfen - // all ihre Schläge gehen doch ins 
                    Leere // du machst meine trübsten Blicke hell" singt 
                    er. Das klingt im Englischen natürlich viel besser: YOU 
                    BRIGHTEN UP MY DARKEST GAZE. Wer die Stimme von Elvis Costello 
                    hört, kann nicht anders, als seinem Geständnis einfach 
                    zu glauben. Eine Musik, sophisticated, elegisch, mit schlafwandlerischer 
                    Sicherheit ausbalanciert und herzzerreißend schön. 
                    
                  "Elvis 
                    Costello: North"
                    ist ein Beitrag von Hans Happel für CD-KRITIK.DE
                    © Hans Happel, 11. Oktober 2003