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Fleischliche Kost
vom Vielschreiber
Gast-Beitrag von Stephan Stöckel


Graham Coxon ist ein Vielschreiber. Und ein kreativer Kopf obendrein. In acht Jahren bescherte uns der einstige Blur-Gitarrist sage und schreibe sechs exzellente Scheiben. Nun ist sein neuester Geniestreich erschienen, in dem sich alles um die Liebe dreht: "Love Travels At Illegal Speeds".

Coxon galt als der musikalische Direktor des Quartetts Blur, dessen dezent-pointierte Riffs vielen Blur-Singles den letzten Schliff verpassten. Durch seine Texte und sein Auftreten etablierte sich allerdings Sänger Damon Albarn zum Sprecher der Gruppe und wurde von den Medien, wie das Musikmagazin "Spex" einst treffend formulierte zum "koketten Wüstling und verzogenen Pilzkopf" stilisiert. Bereits zu Blur-Zeiten hatte Coxon durch diverse Soloausflüge von sich Reden gemacht. Der scheue Engländer mit der studentisch wirkenden Brille gefiel sich mal in der Rolle eines nachdenklichen Singer-Songwriters, mal eines aufbrausenden Punkwüstlings oder urigen Bluessängers.

Coxon erregte zunächst nur Aufmerksamkeit bei der Kritikerzunft, konnte später aber eine treue und loyale Anhängerschaft um sich scharen. Spätestens im vergangenen Jahr, als Coxon vom NME zum besten Solokünstler gewählt wurde, wurde allen klar, dass seine Musik - zumindest bei den englischen Fans - Gehör findet. In Deutschland hingegen lässt der große Durchbruch noch auf sich warten. Was sich mit der neuen Platte durchaus ändern könnte.

Zunächst werfen wir kurz einen Blick zurück auf das Frühjahr 2002, in dem "Blur" ihr Meisterwerk "Think Tank" veröffentlichten. Während der Aufnahmen mehrten sich die Gerüchte, dass Coxon gar nicht im Studio anwesend sei. Wenig später erklärte er seinen Ausstieg bei Blur, weil es unter anderem zwischen ihm und dem Manager der Band zu Meinungsverschiedenheiten wegen Alkoholproblemen gekommen war.

Für Coxon, der sich neben seiner Musik um seine dreijährige Tochter kümmerte und nach zwei Aufenthalten in einer Entzugsklinik keinen Alkohol mehr angerührt hatte, war eine Blur-Reunion unmöglich. "Ich hatte das Gefühl, als sei ein riesiges Gewicht von mir genommen", erklärte er in mehreren Interviews. Inzwischen hat Coxon seine gesundheitlichen Probleme überwunden. Selbstbewusst trällert er auf seinem neuen Album: "Standing On My Own Again - Stehe wieder auf meinen eigenen Füßen."

Die ersten drei Songs auf seinem neuen Album präsentieren den sympathischen Engländer im punkigen Hochgeschwindigkeitsrausch - voller Leidenschaft und mit Ohrwürmern, von denen sich gehypte Bands wie die "Babyshambles" eine Scheibe abschneiden können.
Auch in anderen Genres macht der 37-jährige eine gute Figur: Herrlich entspannend die von sanften Flötentönen durchzogene Ballade "Flights To The Sea", während der eingängige Rocksong "What's He Got" dem Zuhörer einfach nur gute Laune schenkt.

Die bekannten Schmetterlinge, die im Bauch fliegen, sie ziehen sich wie ein roter Faden durch die Songs seines neuen Albums. Graham hat die Liebe seine Lebens entdeckt, ist glücklicher Familienvater, und zugleich auch ein neues Thema für seine Songs: "Die neue Scheibe ist fleischlicher, während die anderen eher vegetarisch waren", bekennt der Sänger gegenüber seiner Plattenfirma. Ein ehrliches Statement, dem nichts mehr hinzuzufügen ist.

"Graham Coxon: Love Travels At Illegal Speeds"
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, Mai 2006
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