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Unter dem Balkon
herrscht buntes Treiben


Vielleicht kennen Sie das? - Es ist Sommer, und Sie sitzen bei geöffnetem Fenster am Schreibtisch, oder Sie dösen auf dem zur Straße liegenden Balkon. Unten fahren Autos vorbei, die Fenster heruntergedreht und die Lautsprecherboxen rauf. Sie schnappen die Sounds der Vorbeifahrenden in "Fetzen" auf; was Sie hören, ist ein Patchwork aus aktuellen Rhythmen. Hier ertönt orientalischer Pop, dort prüft ein Cabriofahrer die Belastbarkeit seiner Boxen mit Gangsta-Rap, dann wummern dumpfe House-Beats, und aus dem Inneren des Straßencafés von gegenüber dringt elektronischer Bossanova zu Ihnen empor.

Was zunächst unzusammenhängend erscheint, vereint sich plötzlich wie von selbst und ergibt schließlich ein klar erkennbares Bild. Doch selbstverständlich lässt sich auch nachhelfen - und damit wären wir bei Doris Decker und ihrem Projekt "Doris' Guesthouse". Auch Doris Decker könnte irgendwann auf die Straße gelauscht haben: Jazz, Hindipop, Elektro, Bossa, House und Latin - unter ihrem Balkon herrscht buntes Treiben, dessen Stimmung sie mit Hilfe der Bewohner ihres "Guesthouse" einfängt: Kerstin Sund (Gitarre), Sebastian Borkowski (Querflöte), Buggy Braune (Tasten), Johnny John (Posaune).

Sie und weitere Gastmusiker entwickeln auf "Double Decker" einen betont unaufgeregten Sound mit lässig-relaxten Arrangements und dem leichten Gesang von Doris Decker. Der Gleichförmigkeit (und damit auch der Langeweile) des Loungesounds entgeht das Ensemble, indem es die Atmosphäre immer wieder bricht, behutsam und unauffällig, aber wirkungsvoll. Es sind diese Momente, in denen der Patchwork-Charakter des Albums durchscheint und über den vielseitigen Hintergrund der Musiker Aufschluss gibt.

Doris Decker selbst ist außerdem eine profilierte Saxophonistin, die bereits früher als Teil des Quintetts "Liberos" um die halbe Welt tourte. Diese Reisen setzt sie in ihrem eigenen Sound nun fort, singt Deutsch, Englisch und Spanisch, je nachdem, wonach die Atmosphäre des Songs gerade verlangt. Das Ergebnis ist ungemein charmant und prickelnd, unvorhersehbar und doch "aus einem Guss", eben ganz genau wie die Stimmung draußen vor dem Fenster, und die verkündet vor allem dieses: es ist Sommer.

 

© Michael Frost, 25.02.2006

 


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