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Lyrische Motive und
nostalgischer Charakter

Gast-Kritik von Hans Happel


Howard Shore hat für seine Musik zum ersten Film der "Herr der Ringe"-Trilogie einen Oscar bekommen. Der vielfach ausgezeichnete kanadische Komponist, Jahrgang 1946, gehört seit langem zu den versiertesten Filmkomponisten in Hollywood.

Er ist über David Cronenberg ("The Fly"/ "Naked Lunch") in die Filmbranche gekommen und ist bis heute dessen "Hauskomponist" geblieben. Zu seinen mehr als 40 Scores zählen darüber hinaus Filme von Jonathan Demme ("Das Schweigen der Lämmer"/ "Philadelphia") und David Fincher ("Sieben"/"The Game"/ "Fight Club"/ "Panic Room").

Die Musik zu dem monumentalen Kino-Epos "Herr der Ringe" ist eine klassische Filmmusik, groß orchestriert, von den 96 Spielern des London Philarmonic vorgetragen. Wenn auch ein eklektizistischer Stilmix aus der Musikgeschichte insbesondere des 19. Jahrhunderts, so gibt ihm Howard Shore doch eine einheitliche und eigene Handschrift.

Er beläßt es nicht bei illustrativer Spannungsmalerei, er arbeitet durchgängig mit wenigen leitmotivisch verwendeten Themen, die er immer wieder ins musikalische Gefüge einwebt. So haben die Hobbits ihr eigenes - idyllisches - Thema, das auf der neuen CD - "Lord of the rings - The two towers" - wieder aufgenommen wird. Daneben gibt es ein nach irischer Folklore klingendes Sehnsuchtsmotiv, das von einer "norwegian fiddle" vorgetragen wird und für die Menschen der gefährdeten Kultur von Rohan steht.

Peter Jackson hat von Howard Shore für die gesamte 9-stündige Trilogie eine Musik mit durchgehend einheitlicher Identität verlangt, da er davon träumt, die drei Filme würden in absehbarer Zeit als Gesamtkunstwerk präsentiert werden. Shore versteht seine Komposition als "klassisches Orchesterstück in der europäischen Tradition", wie der Koproduzent der Aufnahme, Paul Broucek, im Booklet schreibt.

Das ist sicherlich zu hoch gegriffen, dennoch stimmt: im Herr der Ringe-Score werden die großen europäischen Meister der Spätromantik zumindest als Klangfarbe zitiert. "The Two Towers" klingt zeitweilig nach Mahler und Bruckner, und es klingt in den zahlreichen Passagen für großen Chor nach Verdi oder Brahms. Aber Shore spielt ebenso auf gregorianische Elemente an wie auf ein musikalisches Old-England-Gefühl von Pomp und Pathos. Während er für die Schreckensarmee des korrumpierten Zauberers Saruman eine bis ins Rohe sich steigernde schrill tösende Marschmusik-Form wählt, die gefährlich ins musikalisch Banale rutscht, findet er andererseits einfache und lyrische Motive, in denen der nostalgische Chrakter der gefährdeten Kulturen hörbar wird.

Vielleicht ist es noch zu früh oder auch überflüssig zu sagen, ob diese Musik ohne den Film lebensfähig wäre, denn jeder, der sie hört, hört sie mit dem eigenen filmischen Gedächtnis und bindet die Themen an die entsprechenden Figuren. Was aber schon beim ersten Sehen der Filme auffällt, ist die Sorgfalt, mit der der Komponist dem Abenteuercharakter der Geschichte eine stimmige musikalische Kulisse geschaffen hat.

Und mehr als eine Kulisse: Denn einige dieser Melodieversatzstücke bleiben im Kopf hängen und zumindest "Gollums Song" - auf den Abspann dieses Zweiten Films von Emiliana Torrini mit warmer, leicht angerauhter Stimme vorgetragen, ist ein Lied, das in Erinnerung bleiben dürfte. Schon deshalb, weil hier der heimlichen Schlüsselfigur des zweiten Films ein Klagelied gewidmet wird, Gollum, dem komisch kauzigen, armselig traurigen Männlein, das die Orientierung und die Heimat verloren hat.

"Howard Shore: Der Herr der Ringe - Die zwei Türme"
ist eine Gast-Kritik von Hans Happel.
© Hans Happel, Dezember 2002
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