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Rosinen aus dem Großstadtdschungel


Ein schöner Begriff: „Stadtchanson“. Was sich dahinter verbirgt? Lieder, zart, unprätentiös, ohne falsche Sentimentalität oder klebrigen Schmelz in der Stimme; Melodien, in denen sich Herkunft und Lebensweg der Stadtbewohner widerspiegeln; Geschichten, wie Schnappschüsse beiläufiger Begebenheiten, betont unbetont erzählt, mit einer Lässigkeit, die man sich aneignen muss, will man im Großstadtdschungel überleben.

Dota, „die Kleingeldprinzessin“ und „Die Stadtpiraten“ prägen das Wort vom Stadtchanson. „Immer nur Rosinen“, veröffentlicht im September 2007, ist bereits das fünfte Album der Berliner Band, die sich neben etablierten Deutsch-Pop/Rock-Bands wie „Wir sind Helden“ usw. zu etablieren versuchen.

Die Chancen stehen gut für das Berliner Kollektiv: Ihre Mischung aus witzigem Pop, urbanen Multikulti-Sounds, französischem Neo-Chanson und Alternative/Electro ist in Deutschland eine absolute Seltenheit, und von intelligenten Texten abseits der Herzschmerz-Schlagerseligkeit kann man sowieso nie genug bekommen. Mit liebevollem und dabei unverklärtem Blick entdecken Dota und die Stadtpiraten die Schönheit Berlins, um schließlich zu bekunden: „Hier bin ich gern zuhaus“ („Der Kanal“).

Parallel fällt ihr skeptischer Blick auf manipuliertes Gemüse: „Aber was mir Angst macht, sind diese komischen Tomaten // die da knallrot, prall und elastisch // seit acht Wochen in der Küche liegen ...“ - Auch dies ist ein Detail unserer Realität, das da mit leiser Ironie auf's Korn genommen wird. „Menschenklone“ erzählt von der Widersprüchlichkeit einer immer stärker individualisierten Gesellschaft und ihrem gleichzeitig wachsenden Drang zur Normierung: „Hundertausend in der Statistik Scheintote // stehen vor eurem Sender, sagen, wir sind eure Einschaltquote“.

Dota und ihren Stadtpiraten ist diese verordnete Gleichförmigkeit fremd. Ihre Texte, trotz gelegentlicher Deutlichkeit, geben keine Antworten vor, sondern geben lediglich kluge Impulse für eigene Gedanken. Und nachdenken, auch träumen, lässt es sich bei dem gleichermaßen fein- wie hintersinnigen Sound von „Immer nur Rosinen“ vortrefflich. Übrigens auch, wenn man nicht in der Großstadt lebt.


© Michael Frost, 08.12.2007

 


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