Ein 
                    junger Mann, 20 Jahre alt, setzt sich ans Klavier und spielt 
                    sich in die eigene Kindheit zurück: In rasanten Läufen, 
                    in drängender Vitalität, in rockenden Riffs, fingerfertig 
                    parlierend und stets auf Wohlklang bedacht.
                   
                    Eldar Djangirov, in Kirgisien geborener und seit seinem 10. 
                    Lebensjahr in den USA lebender Piano-Virtuose, darf sich diese 
                    lässliche Jugendsünde erlauben. Er zeigt mit jedem 
                    der 11 Stücke seiner neuen CD "re-imagination", 
                    dass er etwas zu sagen hat, dass er Geschichten erzählen 
                    und starke Emotionen entfachen kann. In den Liner-Notes zu 
                    seinen Eigenkompositionen spricht er von den Eltern, von den 
                    Orten seiner amerikanischen Kindheit, von den heftigen Widersprüchen 
                    in Los Angeles. 
                  Zwar 
                    ist er musikalisch kein Bilderstürmer, aber sein von 
                    ihm schlicht "tears" getaufter "love song" 
                    ist wirklich ein berührendes Liebeslied, seine Ragtime-Version 
                    des Oscar Peterson-Titels "Place St. Henry" ist 
                    meisterlich gekonnt, gewitzt und dynamisch dargeboten, und 
                    die ganz überraschende, im Booklet nicht genannte Zugabe 
                    ist wohl eine der schönsten Adaptionen des McCartney-Songs 
                    "Blackbird". 
                  ELDAR, 
                    wie sich der junge Künstler nach seinem Vornamen nennt, 
                    ist jedenfalls weit mehr als ein Talent, mehr als ein brillanter 
                    Spieler, er beweist hohes musikalisches Feeling, eine für 
                    sein Alter überraschende Zartheit und die Fähigkeit, 
                    schlichte Motive durch Verlangsamung und Reduzierung aufzubrechen. 
                    Er kann ebenso leise und intim werden wie andererseits raffiniert 
                    mit komplizierten Gegen-Rhythmen arbeiten. Er kann soviel, 
                    dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann er über die 
                    "re-imagination" hinausblicken wird um aufzuschließen 
                    mit den Großen, mit Brad Mehldau etwa, der ähnlich 
                    wie ELDAR niemals Angst davor gehabt hat, schöne Melodien 
                    und großartige Songs der Rock- und Pop-Geschichte zum 
                    Thema der eigenen Jazz-Improvisationen zu machen. 
                  "re-imagination" 
                    ist nicht nur eine schön zu hörende CD, es ist wie 
                    ein Versprechen , das ELDAR seinen Hörern gibt: Hier 
                    tritt einer auf, der will, dass man künftig mit ihm rechnet. 
                    Keineswegs ein Egomane: Dass er mit einigen hervorragenden 
                    Sidemen zusammenarbeitet, etwa mit dem Gitarristen Mike Monero 
                    (Ravi Coltrane Quartett), dem Bassmann Carlos Henriques oder 
                    dem Drummer Ali Jackson Jr. (Wynton Marsalis Quintet), zeigt 
                    eine andere seiner Stärken: Die Fähigkeit zum unkomplizierten 
                    Zusammenspiel, das diesen häufig schnellen, groovenden 
                    Sound so intensiv macht. 
                  
                    
                   
                    © Hans Happel, 27.10.2007