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Niemals stehen geblieben
von Hans Happel

 

Christian Escoudé– Jahrgang 1947 - ist eine feste Größe unter den französischen Gitarristen. Vater und Onkel weihten ihn früh in die Tradition des Gypsie-Swing ein, zu seinen Vorbildern zählt Django Reinhardt, mit dessen Sohn Babik er 1985 das erste „Trio Gitan“ gründete. Er hat seit den 70-er Jahren mit diversen Größen des amerikanischen Jazz zusammen gespielt, er war Anfang der 80-er mit John McLaughlin auf Welttournee.

Mit seinem jetzt erschienenem Album „Catalogne“ kehrt er zu den Wurzeln seiner Musik zurück und er zeigt zusammen mit den sechs Musikern seines Ensembles, wie rau und würzig, wie unmittelbar diese Musik klingt: Es sind Standards, Klassiker wie Glenn Millers „Moonlight Serenade“, Cole Porters „Begin The Beguine“ oder Jerome Kerns „Smoke Gets In Your Eyes“, darunter fügen sich Christian Escoudes Eigenkonpositionen und die Hommage seines Mitgitarristen „Tango pour Christian“ erstaunlich bruchlos ein.

„Tango pour Christian“ ist sogar eine der schönsten Nummern dieses Albums, sie lebt nicht nur von einer ohrwürmigen, charmanten kleinen Melodie, sondern von der besonderen Klangfarbe, die Thomas Savy mit seinen Klarinetten ins Spiel bringt. Da legt sich über die Tango-Rhythmen ein wunderbar warmer und weicher Ton, der das hitzige Tempo des Sologitarristen (neben Escoude auch David Reinhardt) aufzubrechen scheint und in eine schwerelose Wehmut verwandelt.

Es sind diese dauernden Verwandlungen, von denen „Catalogne“ lebt: präzises Tempo, klare und feste rhythmische Strukturen, unvergessliche Evergreens – die „Moonlight Serenade“ wird von der Violinistin Fiona Monbet sehr fein und zurückgenommen gespielt -, daneben neue Melodien, die ebenso ins Herz gehen: „Catalogne“ und „Gypsie Talk“ von Christian Escoudé stehen nicht zufällig im Mittelpunkt des Albums: sie zeigen ein dichtes Gewebe aus Tradition und Moderne.

Ihr grundierender Rhythmus, - wesentlich mitgeprägt vom percussiven Spiel der Drummerin Anne Paceo -, ihre durchsichtigen Strukturen und ihr eingängiges melodisches Material kontrastieren unaufgeregt mit kleinen Brüchen im Fluss des klassischen Swing, für die insbesondere Darryl Hall am Kontrabass mit gegenläufigen Einwürfen zuständig ist.

Im „Gypsy Talk“ dieses Albums treffen sich alle Einflüsse, die Escoudé in seiner jahrzehnte langen Jazz-Laufbahn aufgenommen hat. So lässt er im schönsten Duke Ellington Klassiker „The Mooche“ seine Musiker aus dem Korsett fallen, um schließlich geradezu genüsslich zur alten Form zurückzufinden.

Die letzten Nummern des Albums widmet das Ensemble den Klassikern: ein extrem langsamer Django Reinhardt, „Quelquefois“ mit einem schmerzhaft unprätentiösen Violinsolo, gefolgt von Cole Porter („Begin The Beguine“) mit einer großartigen Klarinetten-Einleitung, und Jerome Kern („Smoke Gets In Your Eyes“), nur von der Gitarre vorgetragen: Das alles lässig, sanft, eine leichte Sommermusik – voller Leben, zum Schluss lässt Escoudé– irgendwie überraschend und scheinbar völlig unpassend angehängt – das ganze Ensemble sprechen: diese letzten Minuten klingen, als wäre die Musik mal eben von der Straße geholt: schlicht und einfach wird da geschrammelt, wie es vielleicht seit jeher die Freunde machen, die der Fotograf des Albums in den Innenseiten der CD porträtiert: da hat sich eine Großfamilie versammelt – Frauen, Kinder und Männer mit ihren Gitarren sitzen und stehen vor einem Wohnwagen. Und so ist diese Musik: Seit Jahrzehnten auf Reisen und niemals stehen geblieben.

In Deutschland versucht der Swing-Gitarrist Jörg Seidel seit fast zwanzig Jahren mit wechselnden Formationen, dem Gypsy-Jazz ein Forum zu geben (vgl. cd-Kritik „Celebrating Grappelli“ von 2008), mit Christian Escoudé meldet sich ein musikalischer Mitstreiter zu Wort, der dieser Musik ihren Platz im modernen Jazz zurückerobern hilft.

© Hans Happel, 22. August 2010


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