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Sahara-Rave

 

Die Percussions donnern in stoischer Gleichförmigkeit. Sie kommen keineswegs aus dem Drumcomputer, sondern sind handgemacht, in dem ewig gleichen Grundrhythmus, und zwar so lange, bis der eigene Puls im Gleichtakt mit ihnen zu schlagen beginnt. Dann legen Etran Finatawas eine E-Gitarre darüber, eine akustische Gitarre bleibt im Hintergrund hörbar. Die bluesartige Melodie verstärkt die hypnotische Atmosphäre, ebenso der Sprechgesang mit den sich ständig wiederholenden Zeilen.

Wie in Trance verfällt man beim Hören von "Tarkat tajje/Let's go", erst recht bei Live-Auftritten dieser ungewöhnlichen Band aus Niger, dem Staat mitten in der Sahara, der im Norden an den arabischen Maghreb grenzt und im Süden und Westen an die großen Nachbarn Westafrikas, darunter Nigeria und Mali.

"Desert Blues" nennen Etran Finatawa ihre Musik, und sie greifen darin die Tradition der nomadischen Bevölkerungsgruppen in Niger, der Tuareg und der ungleich kleineren Gruppe der Wodaabe auf. Dafür wurden sie anfangs argwöhnisch beäugt, weil beide Gemeinschaften befürchteten, ihre Traditionen würden durch die Vermischung verloren gehen. Doch inzwischen gehören Etran Finatawa zu den erfolgreichsten Gruppen in Niger - gefeiert sowohl von den Tuareg als auch den Wodaabe.

Man mag sich ohne weiteres vorstellen, wie der magische Grundrhythmus ihres Sounds die Grundlage bildet für das "geerewol", den mehrtätigen Tanzwettbewerb der Männer der Wodaabe, mit dem sie um die Anerkennung heiratsfähiger Frauen werben. Die zu diesem Anlass getragenen bunten Gewänder, der farbenprächtige Kopfschmuck und die Bemalung der Gesichter tragen auch Etran Finatawa bei ihren Auftritten.

Damit gehört die Gruppe zu den - aus europäischer Perspektive - zunächst 'exotisch' und fremd anmutenden Musikacts, die eine international kaum bekannte Tradition der Wodaabe aufgreift, einer Gemeinschaft, die laut wikipedia nur 45.000 Mitglieder umfasst.

Doch bei näherer Betrachtung ist uns die Idee ihrer hypnotischen Musik wirklich nicht, man denke einfach an den Rausch eines vielstündigen Techno-Rave - er ist der "geerewol" der europäischen Club-Szene.

 

© Michael Frost, 20.06.2010


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