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Dogma-Pop


Es waren einmal drei gute Freunde, die hießen Jacob, Kasper und Trine. Sie lebten glücklich irgendwo in Dänemark, dem Vernehmen nach in Århus. Das ist einerseits die größte Stadt im Landesteil Jütland, andererseits aber auch Provinz: das kulturelle Leben Dänemarks spielt sich allein in Kopenhagen ab. Sagen jedenfalls die Kopenhagener.

Wie einige ihrer Kollegen, so etwa die Sängerin Lise Westzynthius, die gerade einen internationalen Plattenvertrag bei One Little Indian unterzeichnete (dort ist u.a. auch Björk unter Vertrag) oder die achtköpfige Gruppe Under Byen ließen sich auch Jacob, Kasper und Trine vom postulierten Hauptstadt-Zentralismus nicht weiter beeindrucken.

In aller Ruhe versammelten sie ein paar weitere Freunde, am liebsten solche, die ein Instrumente spielen oder singen konnten und gingen ans Werk, d.h. ins Studio, um einige von Jacob geschriebene Songs aufzunehmen. Mit den Gesetzmäßigkeiten traditioneller, moderner oder avantgardistischer Musik wollten sie sich nicht weiter aufhalten; sie hatten ihre eigene Vorstellung von der Musik. Und die sollte vor allem leise sein, versponnen, melodiös, und alles sollte sich anhören wie in einem schönen Traum.

Von niemandem wurde verlangt, ein Virtuose seines Instruments zu sein. Manchmal reichte es Jacob, Kasper und Trine schon, wenn jemand die unablässig Gänsehaut produzierende Atmosphäre ihrer Einspielung mit einzelnen Tönen verstärkte oder im Hintergrund der Melodie die zweite Stimme beifügte.

Zur Unterstützung für die Arrangements holten sie sich einen weiteren Gast - Marc Kellaway -, mit dem sie Jacobs be- und vor allem verzaubernde Lieder in Szene setzten. Eine leise gezupfte Gitarre, Jacobs und Trines brüchig-melancholischer Gesang, dazu ein hinreißend heller Sopran im Hintergrund (Margrethe Ingemann Sørensen), schließllich ein Glockenspiel - manchmal bedarf es so wenig, um so viel zu erreichen. Der Titel, von dem hier die Rede ist, heißt "Black feathers". Er dauert keine drei Minuten und hinterlässt dennoch einen so nachhaltigen Eindruck, dass man noch deutlich später meint, seit langer Zeit nichts Schöneres mehr gehört zu haben. Zuletzt vielleicht auf dem Album ihrer Kollegen von Efterklang, mit denen sie übrigens kürzlich gemeinsam in Århus live zu erleben waren.

Und genau so ist es auch. Jacob Faurholt & Sweetie Pie Wilbur, um die Band endlich mit ihrem vollständigen Namen vorzustellen (was nötig ist, weil man sich ihren Namen dringend merken sollte), ist mit ihrem Album "Queen of Hope" ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Debüt gelungen. Selten kam eine Band auf so sympathische Weise so unprofessionell daher, selten klang ein Album so echt, spontan und direkt - kleine Fehler und Disharmonien inklusive. Die "sind Teil ihres ehrlichen und natürlichen Sounds" (Pressetext) und verstärken den Charme der Musik nur noch.

"Queen of hope" wurde fast ohne technische Effekte und Equipment aufgenommen, als hätten sie Lars von Triers Regeln für Dogma-Filme auf die Musik übertragen: keine künstliche Beleuchtung, keine Nachvertonung, keine fremden Requisiten, Handkameras sorgen für verwackelte, aber umso authentischere Bilder. So verhält es sich auch mit Jacob Faurholts Musik: der Sound wackelt, ist aber gerade deshalb besonders wirklichkeitsnah und zum Greifen nah - Dogma-Pop.

Die Texte dienen der Verstärkung der intimen Atmosphäre, durch die Aufteilung der Gesangsparts zwischen Jacob (dessen Stimme ein wenig an seinen norwegischen Kollegen St. Thomas erinnert) und Trine wirken die Lieder wie kleine Dialoge vor verträumter Klangkulisse.

Die vielen jungen dänischen Bands und Künstler mit ihrer ganz eigenen Ausdrucksweise scheinen sich langsam zur Bewegung zu formieren. Zu hoffen ist, dass ihnen auch international der Durchbruch gelingt. Und wenn sie die Musik nicht aufgeben, dann zählen Jacob Faurholt & Sweetie Pie Wilbur hierbei zu den heißesten Anwärtern.

© Michael Frost, 02.04.2005


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