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Hörbar nachdenklich
Gast-Kritik von Nils Neumann

 

Dass sich eine explosive Mischung ergibt, wenn Street-Punk auf keltische Folk-Elemente trifft, hat sich inzwischen herumgesprochen. Deshalb gibt es eine ganze Reihe von Bands, die den Dudelsack als Lead-Instrument für sich entdeckt haben. Sie dudeln mitunter in einem derart penetranten Ausmaß auf ihren Säcken, dass man sich nach dem Genuss eines ganzen Albums als Hörer fragt: „Ist das Pfeifen auf meinem Ohr immer noch der Dudelsack, oder hat selbiger mir jetzt einen Tinnitus eingebrockt?“ Auf alle Fälle hat die Sackpfeife sich mittlerweile als Punk-Instrument etabliert. Doch wieso setzen Punk-Bands eigentlich so selten die Mandoline ein? Sehr viel schwieriger als eine Gitarre kann so ein Ding doch nicht zu bedienen sein!

Flatfoot 56 aus Chicago jedenfalls haben neben dem Dudelsack auch eine Mandoline mit am Start. Auf diese Weise ergibt sich in ihrer Musik eine Stimmung, die all die guten Eigenschaften von Punk und volkstümlicher keltischer Musik miteinander verbindet. Rotzige Energiegeladenheit trifft auf gute Laune, die zum Tanzen reizt. Da Dudelsack und Mandoline sich abwechseln, entgehen Flatfoot 56 der Tinnitus-Gefahr und präsentieren eine sehr abwechslungsreiche Platte. Außerdem fügt die Mandoline den schnellen Punk-Stücken eine ruhige Komponente hinzu. Das passt gut zu der Stimme von Sänger Tobin, die zwar so rauh klingt, als spräche Tobin dem schottischen Whisky reichlich zu, die aber gleichzeitig etwas Sanftes hat.

Der eigentümliche Sound dieser Band, der sich im selben Moment punkig und doch verhalten anhört, ist damit so wild wie nachdenklich. Ebenso sind es auch die Liedtexte. Für die Lyrics von „Smoke Blower“ scheinen Flatfoot 56 das Märchen von den drei kleinen Schweinchen zusammen mit dem biblischen Gleichnis vom Mann, der sein Haus auf Sand baut, miteinander durch den Fleischwolf gedreht zu haben. Was gibt einem Leben letztlich Halt? Diese Frage stellen die Jungs aus Chicao sich selbst und damit auch ihrem Publikum. Dass „Spaß“ als einzige Antwort nicht taugt, wissen Flatfoot 56 zwar („Born for This“), aber trotzdem ist Spaß ja auch nichts Verkehrtes sondern ein Schritt in die richtige Richtung. Solchen Spaß jedenfalls verbreitet die Band – trotz aller Nachdenklichkeit reichlich – mit Dudelsack, Mandoline und Bratgitarre.

"Flatfoot 56: Black Thorn"
ist ein Gastbeitrag von Nils Neumann.
© Nils Neumann, Mai 2010


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