Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Ein Quartett von Virtuosen
von Hans Happel


Fast am Ende der Höhepunkt: In „Aria“ verwendet der französisch-italienische Akkordeonist Richard Galleano Motive von Johann Sebastian Bach, und in diesem getragenen Strom der Bach-Musik scheinen sich alle vorangegangenen Stücke zu bündeln: die leicht luftigen, die leicht melancholischen, die charmanten, die coolen und vibrierend swingenden Nummern, die Richard Galliano für sein neues Album „Love Day“ geschrieben hat.

Mit dem gleichnamigen Song nimmt er kein Blatt vor den Mund: Seine Kompositionen sind durchweg Liebeslieder, Liebeslieder in verschiedensten Temperaturen, die dennoch bestens aufeinander abgestimmt sind. Der Eingangstitel beschwört mit elegischen Klängen den Sonnenaufgang („Aurore“), im folgenden „Bonjour“ begrüßt das virtuos eingesetzte Akkordeon aufgeweckt zwitschernd den neuen Tag, in „Hymne“ verwandelt sich der Ton in feierliches, aber dennoch diskretes Pathos. Er habe die Töne und Geräusche eines einzigen Tages und damit eines ganzen Lebens wecken wollen, sagt Galliano in den Liner Notes.

Aus seiner Liebe zur Musik spreche die Liebe zu denjenigen, die ihn im Leben und in der Musik begleiten. Für die Beschwörung dieses Love Days hat er Kompagnons an seine Seite geholt, die intensive Gefühle ebenso in Musik umsetzen wie Galliano selbst: Charlie Haden am Kontrabass verkörpert das Prinzip Ruhe, aus seinen leisen Interventionen spricht eine Gelassenheit und eine Kraft der Meditation, die auch Gonzalo Rubalcaba erfasst, den großartigen kubanischen Pianisten, der eher für coole Gegenrhythmen, für das Aufbrechen aller sentimentalen Klangbilder steht, um gleichzeitig jedoch in einfachster Linienführung den lyrischen Charakter dieser Musik zu betonen.

Richard Galliano, ein Weltmusiker, der mit den Wassern aller Kontinente gewaschen ist, hat seine Wurzeln im brasilianischen Tango wie im französischen Musette, er beruft sich auf Leonard Bernstein wie auf Bach, er liebt das Brausen des Hymnischen so sehr wie den Schmelz des kleinsten Chansons, und er liebt den Rhythmus, der alles Schwerfällige vermeidet: Für rhythmische Raffinesse, den swingenden Unterboden, pulsierende Grooves oder langsame Schläge im Hintergrund sorgt souverän Mino Cinelu.

Ein Quartett von Virtuosen, die dennoch keine Perfektion anstreben, die sich nicht nebeneinander profilieren, die intensiv aufeinander hören, die dem Akkordeon im Dialog mit dem Piano den zentralen Raum lassen, die in ihrem äußerst aufmerksamen, respektvollen Spiel eine gewaltige Fröhlichkeit an den Tag legen. eine Heiterkeit, die jederzeit in tiefen Ernst umschlagen kann, ein Zusammenspiel, in dem alle musikalischen Farben eines Love Days ausgekostet werden. Wenn diese Vielfalt schließlich in den klaren Strom der Bachschen „Aria“ mündet, dann wirkt das so selbstverständlich wie ergreifend.

„Love Day“ - das ist ein musikalischer Wärmestrom, der beim Hören Spuren hinterlässt, es sind Klangbilder, die lange hängen bleiben. Die 12 Aufnahmen bilden eine selten gelungene Einheit, sie sind Musik gewordene Form eines mehrteiligen „Poems“ (so einer der letzten Titel), das nach dem Bach-Zitat in einer zärtlich-leisen, coolen Abenddämmerung, im „Crepuscule“ endet.

Für Love Day hat Richard Galliano einen klassischen Ort gewählt: die „Capitol Records Studios“ in Los Angeles. Hier haben Nat King Cole, Frank Sinatra, Count Basie und Quincy Jones gearbeitet und - nicht zu vergessen -, hier haben in den 60-er Jahren die Beach Boys ihre „Good Vibrations“ aufgenommen, kein Wunder, dass es den vier Weisen des Jazz gelingt, eine Musik aus feinsten magischen Vibrationen zu weben.

© Hans Happel, 14.11.2008


[Archiv] [Up]