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Laut, lauter, am lautesten -
und auf einmal ganz leise

Gastkritik von Inga Stumpf


Brachiale Soundgewalt, übermächtiges Gitarrenkreischen und Hardcore-Shouts lassen das eher zarte Hörergemüt erschrocken vom CD-Player zurückweichen. "Everything You Ever Wanted To Know About Silence" ist, dass es Stille auf diesem Album ganz sicher nicht zu finden gibt. Im ersten Moment jedenfalls. Denn mit ein bißchen Geduld eröffnen GlassJaw, daß sie auch etwas anderes zu bieten haben, als die lautesten Instrumente und die durchdringendsten Stimmen. Nämlich ein Gefühl für eingängige Melodien - und für die leisen Töne.

Laut ist in. Immer mehr Ohren betäubende Bands drängen in die Charts und das, was vor ein paar Jahren nur die ganz harte Elite hörte, mutiert zum Mainstream-Sound. Irgendwie klingen alle Frontmänner wie Eddie Vedder, Refused finden sich auf diversen Compilations wieder und selbst die Teenie-Pop-Sampler schrecken nicht davor zurück, Creed oder Deaf Nuts im Inlay aufzuführen. Es ist also kaum verwunderlich, dass eine weitere Band auf den scheinbar noch immer ungesättigten Markt drängt. Doch was die fünf Jungs aus Long Island da bieten, hat wenig mit dem aggressiven Chart-Rock gemein, mit dem man unaufhörlich im Radio und TV berieselt wird.

Für das Debutalbum von GlassJaw braucht man Zeit. Zwischen ohrenbetäubenden Gitarrenriffs und einem sich die Seele aus dem Leib schreienden Sänger tauchen immer wieder unerwartet filigrane Melodieparts auf, die der Platte jedoch keineswegs die Energie nehmen. Vielmehr verstehen es die vier Musiker bestens, ihren erst 20jährigen Shouter in die richtige Stimmung zu versetzen. Emotionsgeladen berichtet Daryl Palumbo über missglückte Beziehungen und Lebenskrisen, brüllt und schluchzt sich durch die Songs.

Gleich die ersten Tracks des Albums treffen genau das, was schon Ross Robinson so sehr begeisterte, daß er das Album der Jungs produzierte. Und als Erfinder des "New Metal" und Soundcreator von Korn und Limp Bizkit darf man ihm wohl ein gutes Händchen für Talente unterstellen. GlassJaw präsentieren einen krachenden Emotionsstrudel mit schnörkelloser Ehrlichkeit, größtenteils leider etwas anstrengend und schwer zugänglich. Ihr technisches Können ist hoch und zweifellos gelingt der Band die akustische Umsetzung ihrer Songthemen bis ins Detail.

Der Wechsel zwischen Wut und Verzweiflung, unterstützt von lauten und leisen Tönen, ist die Stärke der jungen Gruppe. Doch hin und wieder bangt man um seine Boxen, denn Grenzen scheinen sich Glasjaw noch nicht gesetzt zu haben - vom Lautstärkeregler des CD-Players sollte man sich also nicht zu weit entfernen.

Auch ein Ziel ist noch nicht wirklich in der Musik auszumachen. Das "gewisse Etwas" läßt auf sich warten, und die Songs reichen weder an den Groove von Korn, noch an die Aggressivität von Sepultura heran. Aber die fünf US-Amerikaner stehen erst ganz am Anfang ihrer Karriere und können sich bei dem starken Produzenten im Rücken mit der Definition der ganz eigenen Note noch ein wenig Zeit lassen. "Everything You Ever Wanted To Know About Silence" ist ein interessantes Album abseits vom "Adidas Rock", das allerdings vom Hörer einiges an Toleranz und Geduld einfordert.

 

"GlassJaw: Everything you wanted to know about silence"
ist eine Gast-Kritik von Inga Stumpf / Januar 2001
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