Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

"Warum wir nicht?"


Kein Zweifel: "12" ist ein echter Grönemeyer. Alles an diesem Album ist typisch: die Mischung zwischen poetischem Liebeslied und engagiert vorgetragener Sozialkritik, der Versuch, Deutschrock und internationalen Poprock zueinander zu bringen, die subtile Lyrik, die Stimme, die nicht wirklich singen kann, der Sänger, der noch immer nicht wirklich tanzen kann.

"Zwölf" ist sein zwölftes Album, es enthält zwölf Songs, doch die Zahl symbolisiert weit mehr: ein geschlossenes System. Für Herbert Grönemeyer ist das Album die Rückkehr zum Normalmaß - vor allem im positiven Sinne. Der Erfolg von "Mensch", der CD, auf der er schwere, private Schicksalsschläge verarbeitete, woran praktisch das ganze Land Anteil nahm, ist nicht zu wiederholen.

Woran also anknüpfen? Grönemeyers Antwort liegt in den Fragen, die er stellt. Denn im Gegensatz zu manchen Kritikern, die einen textlichen Rückfall in die 80er Jahre zu erkennen glauben, zeigt er sich - eins ums andere Mal - hoch aktuell. Es ist 2007, wir kennen alle Probleme dieser Welt und wissen einfach nicht weiter: jede Zustandsbeschreibung endet mit einem Fragezeichen.

Auf seine ur-eigene, unfälschbare Art, stellt Herbert Grönemeyer die richtigen Fragen. "Die Erde ist freundlich - warum wir eigentlich nicht?" heißt es im "Stück vom Himmel", Album-Opener und Vorab-Single-Auskopplung. Man man die Textstelle für schlicht halten, doch bei genauerem Hinsehen hat er die Probleme unserer Tage - einmal mehr - auf den Punkt gebracht: "Warum wir nicht?"

Fragen dieser Art stellt er auf "12" zuhauf. Es sind drängende Fragen, die uns bekannt vorkommen, die wir aber allzu oft vermeiden, weil sie uns ins Ungewisse stürzen - wir haben nämlich keine Antwort, und wenn doch - sie würde uns vielleicht verrückt machen.

Also teilen wir mit Herbert Grönemeyer auch das Kopfschütteln. Er, der vom bekennenden Grün-Wähler zum Befürworter der Großen Koalition wurde, wendet sich heute enttäuscht von dieser ab: "Wir sind bereit zum großen Wurf // Ihr vergeudet unsere Zeit // und dabei seid Ihr nur ausgeliehen ..." ("Flüsternde Zeit"), singt er, holprig, aber deutlich, und er offenbart, dass er die Rolle des Sprachrohrs zu übernehmen bereit ist: "Das Volk muss den Karren ziehen // Ihr habt uns nicht verdient".

Zur Selbstüberhöhung des Volks-Sängers passt der zunehmend feierliche Ton, den "Zwölf" annimmt, doch der wiederum ist wohl notwendig, um die Stadien, in denen Grönemeyer im Frühsommer auftreten wird, mitzureißen.

Nick Ingmans Streicherarrangements sind allgegenwärtig, immer grandios und punktgenau, doch manchmal wünscht man sich etwas weniger "wir" und mehr "ich", weniger Orchester und mehr musikalisches Risiko, so wie es auf "Mensch" und vor allem auf "Bleibt alles anders" noch spürbar war.

Doch ambivalent war die Bewertung seiner Alben eigentlich immer. Auch in dieser Hinsicht ist "Zwölf" wieder ein echter Grönemeyer.

© Michael Frost, 03. März 2007

 


[Archiv] [Up]