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Made in Sheffield

 

Selbst der Stahl der Singenden Säge ist "Made in Sheffield". Ein Zufall zwar, wie Richard Hawley selbst sagt, aber ein bedeutsamer. Nirgendwo sonst könnte er Musiker sein, hatte er schon bei der Veröffentlichung seines vorigen Albums "Lady's Bridge" (2007) gesagt, und das gilt ungebrochen auch für "Truelove's gutter" - wiederum benannt nach einem magischen Ort seiner Stadt.

Sheffield, Detroit, Liverpool, Bremerhaven, Gelsenkirchen - die westliche Welt ist voller Städte, die der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft kalt und hart erwischte, doch nur Richard Hawley gelang es, den Moment des Niedergangs in Musik zu fassen. Er beschwört eine Zeit, die nicht mehr ist - und ebnet gleichzeitig den Weg für Neues, weil er weiß: Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft.

Richard Hawley gelingt dabei das Kunststück eines Albums, das anrührt, ohne rührselig zu sein. Schon das dem eigentlichen Albumbeginn vorgeschobene "As the dawn breaks" lässt den Atem stocken. Eine Glasharmonika unterstreicht die Fragilität des Augenblicks, in dem Hawley zarte Hoffnung aufkeimen lässt ("A songbird, singin' for me ..."). Es ist nicht das einzige ungewöhnliche Instrument, das er für "Truelove's gutter" verwendet - er hat sich tief in den Fundus der Instrumentengeschichte begeben und dabei Lyra, Cristal Baschet, Waterphone und die Ondes Martenot zutage gefördert.

Ähnlich intime Momente wie im Opener gibt es auch in "Don't get hung up in your soul", begleitet nur von einer Akustikgitarre - und der Singenden Säge "Made in Sheffield".

Wenn er den anschließenden Song "Soldier on" mit den Zeilen "Never say goodbye" beginnt, dann klingt er so schmerzvoll, als habe der Abschied bereits stattgefunden. Das anschließende, ebenso zärtliche wie ironische "For your lover give some time" erzählt von der Wandlung einer alternden Liebe - man dürfe nichts "selbstverständlich hinnehmen", sagt Hawley.

Videolink: Richard Hawley "For your lover give some time" / youtube  

Seine Musik verweigert sich jeder Modernität, direkt führt sie zurück zu Elvis, zu Sinatra, zu Chet Baker, sie ist in höchstem Maße sentimental, weil sie einer untergegangenen Zeit nachzutrauen scheint, und doch ist sie würdig, erhaben, grandios - ohne jeden Kitsch, ohne aufgesetzte Attitüde. Musikalisches Fastfood ist nicht sein Ding, und er mag keine halben Sachen:

Als zu einem Auftritt in Bremen vor einigen Jahren nur um die 30 Zuschauer kamen, irritierte ihn das nur einen Moment lang. Dann begann eines der vermutlich brilliantesten Konzerte, das die Stadt seit langem erlebt hatte, in der selben Mischung zwischen Melancholie, Rock und zartem Optimismus, der jetzt auch "Truelove's gutter", - ja: beseelt.

"Man soll nicht einfach auf den Pausenknopf drücken und sich zwischendurch eine Seifenoper ansehen", sagt Hawley - als ob das überhaupt denkbar wäre. Man sitzt andächtig, still und verzaubert.

Richard Hawley ist ein Magier, und auf "Truelove's gutter" hat er all die großartigen Momente seiner vorigen Alben nochmals verdichtet. Rückblickend erscheinen sie als Vorstudien, die notwendig waren, um diese besondere Atmosphäre einfangen zu können, die "Truelove's gutter" prägt, die den Atem raubt und die Sprache verschlägt: ein Meisterwerk.

 

© Michael Frost, 20.09.2009

Videolink: Richard Hawley "Open up your door" / youtube
 

 


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