Strjon 
          ist der alte Name eines Dorfte an der norwegischen Westküste, das 
          heutige Stryn heißt. "Wenn ich dorthin fahre, um meine Familie 
          zu besuchen, fühle ich noch immer Ehrfurcht und bin überwältigt 
          von der fantastischen Natur, den Gletschern an den Berghängen und 
          den gewaltigen Lawinen, die während des Winters hinabstürzen, 
          aber genauso spüre ich die Stille und Entspannung, die von der 
          majästetischen Erhabenheit der Landschaft ausgeht."  
          Dieser 
            einzigartigen Szenerie hat Arve Henriksen ein ganzes Album gewidmet: 
            "Strjon". Es ist der Versuch, sich einer urwüchsigen 
            und bis heute durch den Menschen nicht wirklich eroberten Landschaft 
            mit den Mitteln der Musik zu nähern. Und da die Natur in diesen 
            Regionen Norwegens überwiegend allein ist, ist auch in der Musik 
            für menschliche Stimmen kein Platz. Lediglich das leise Raunen 
            einer Background-Stimme ist gelegentlich zu hören.
          Die 
            Einsamkeit der Umgebung reflektiert Henriksen mit seiner Trompete. 
            Ihr Klang scheint aus dem Nichts zu kommen, und genau dorthin entflieht 
            sie auch immer wieder, manchmal setzt eine schroffe Gitarre (Helge 
            Sten) ein, nur Keyboards (Henriksen und Ståle Storløkken) 
            bleiben unverändert wie das Panorama selbst. 
          Weder 
            mit Rock noch mit Klassik hat dieses Album etwas zu tun. Anders als 
            nordische Komponisten wie Grieg oder Sibelius geht es Henriksen um 
            das Zerklüftete, das Unwirtliche der Landschaft, und anders als 
            seinen isländischen Kollegen Sigur Rós nähert er 
            sich den bizarren Bildern nicht mit Elementen des Post-Rock, sondern 
            mit scheinbar zusammenhanglosen Klangcollagen, die erst bei der Gesamtbetrachtung 
            den Blick auf das Große und Machtvolle der Natur offen legen. 
            
          Diese 
            von Respekt und tiefem Verständnis geprägte Herangehensweise 
            ermöglicht es Henriksen, mit digitaler Musik eine fotorealistische, 
            wenn nicht naturalistische Darstellung zu erzeugen. Denn die Klänge 
            verfremden ihre natürliche Vorlage keineswegs, sondern werden 
            zum Abbild ihrer selbst: machtvoll und Ehrfurcht einflößend, 
            doch gleichzeitig voller Ruhe und Erhabenheit. 
          © 
            Michael Frost, 06.04.2007