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Jerichos Mauern wanken


"Alle is gut", vermeldet Veda Hille aus Berlin. Hier macht die Kanadierin einen Zwischenstopp beim Karneval der Kulturen, zu dem sie selbst ein ungewöhnliches Album beizutragen hat: "This riot life", eine künstlerische Auseinandersetzung mit christlichen, biblischen Motiven.

Zwölf Begleitmusiker bilden ein nicht eben kleines Kammermusik-Ensemble, das zwischendurch aber umschlägt und zur Rockoper wird ("The moon") - Veda Hille bedient sich ganz unterschiedlicher Formen alter und neuer religiöser Musik, Rock, Klassik und Musical. Ihre Texte findet sie bei Salomon ebenso wie zeitgenössischen und klassischen Dichtern.

Manchmal erwächst der Sinn ihrer Lieder aus überraschenden Zusammenhängen: "Oh come on" basiert auf den Anfängen alter Lieder, die Veda Hille im "Hymnary of the United Church of Canada" von 1930 fand. So formt sie pathetische Loblieder zu einem abstrusen Sammelsurium religiöser Bekenntnisse: "O come o come Emmanuel // Do glance at me with gladness // O Jesus I have promised // A love divine that deigns to share // ..."

"Soapland seranade" aus einem Musical mit dem skurrilen Titel "Sexual Practices of the Japanese" wirkt dann nur noch auf den ersten Blick irritierend, insgesamt trifft es den ironischen Ton des Albums perfekt: "Relax, relax! 5 custumers today // relax, relax, that's a very very good day"

Die wilden Wechsel zwischen Rock, Kammermusik, feierlichem Chorgesang und feurigem Folk runden Veda Hilles kuriose sPanoptikum ab. Ihr Album ist in großen Teilen viel mehr Kunstperformance als Popmusik, aufwühlend schräg und unverschämt, blasphemisch und dennoch respektvoll im Umgang mit ihren Motiven, selbst in ihrem Bekenntnis zur Monarchie ("I support the monarchy // The queen is salt and water"), das sie ohne inneren Zusammenhang in ihre seltsame Ode an die Bäume einfügt, die den Zuhörer schließlich mit der der feierlich vorgetragenen Erkenntnis allein lässt: "You are dumb! You are green! You are beneath the canopy" - Du bist stumm, du bist grün, du bist unter dem Blätterdach.

Es folgt ein letzter Tusch, eine letzte Fanfare, und Veda Hilles Trompeten von Jericho verstummen. Die Mauern des Gewohnten stehen zwar noch, aber sie schwanken. Und Veda Hille hat ihre Perspektive verschoben, leicht und augenzwinkernd.

© Michael Frost, 12.05.2008

 


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