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Schumann, Brecht und Schwarzwaldtorte

 

In der Regel bleiben Interpreten des klassischen oder auch zeitgenössischen deutschen Chansons bei Franz Schubert und Liedern wie der "Forelle" hängen. Zahllose Neuaufnahmen der Lieder des Mitbegründers der Romantik machten sie zu kulturellem Allgemeingut. Kitty Hoff, die eleganteste Stimme des aktuellen Chansons in Deutschland, wählte für ihr aktuelles Projekt, mit dem sie sich erstmals einem klassischen Sujet widmete, allerdings gerade nicht Schubert, sondern einen anderen, nicht minder berühmten Komponisten: Robert Schumann.

Auch Schumann, von Schubert deutlich beeinflusst, gilt als Vertreter der Romantik, und vor allem sein Klavierwerk erfreut sich ungebrochener Popularität. Hierzu gehören auch die "Kinderszenen", dreizehn Stücke, die 1838 entstanden waren sowie das "Album für die Jugend" von 1848. Schumann nannte die Stücke "Von fremden Ländern und Menschen", "Bittendes Kind", "Kleine Romanze", schlicht "Nr. 21", "Fast zu ernst" oder "Curiose Geschichte".

Letzterer Titel diente Kitty Hoff und "Fôret Noire" als Motto für ihr ambitioniertes Vorhaben: Zehn Stücke beider Schumann-Werke wurden nach inzwischen bewährter Manier zu wunderbar luftigen Bossanova-, Samba- und Jazz-Chansons verarbeitet. Schumanns Titel gaben Kitty Hoff darüber hinaus das Stichwort für die maßgeschneiderten Texte ihrer eigenen "curiosen Geschichten".

So wurde aus "Glückes genug" eine bissige Hommage an die Schwarzwaldtorte: "Ich greif' mit beiden Händen in das Schwarzwaldtortenglück hinein // und schleud're rote Kirschen, rote Kirschen in den siebten Himmel ..."

Das "bittende Kind" klagt in der Ich-Perspektive ("Niemand will mein Leid versteh'n ..."), "Fast zu ernst" beschwört die Magie des Sommers, und "Fürchenmachen" ist eine Reflexion über die Vergänglichkeit ("Zeit, sie tickt und tickt durch Räume // und bleibt plötzlich nah bei mir steh'n ...").

Kitty Hoff, die 2008 für ihre Fusion aus Pop und Chanson mit dem Lale-Andersen-Preis ausgezeichnet wurde, zeigt erneut ihr herausragendes Sprachgefühl. Unaufdringlich, dabei verspielt, ironisch, aber auch voller Nostalgie und Sehnsucht, sind ihre Texte, niemals peinlich oder aufgesetzt - und sie schmiegen sich einfühlsam an die fast 200 Jahre alte Musik, die von Fôret Noire kongenial und mutig arrangiert wurde. Selbst E-Gitarre und Drums finden in den "Curiosen Geschichten" einen Stammplatz.

Kitty Hoff veröffentlicht die "Curiosen Geschichten" nicht bei EMI, sondern bei dem Plattenlabel ihrer Konzertagentur. Dadurch verkehrt sie den üblichen Prozess, wonach die CD während einer Tournee "promotet" wird, ins Gegenteil: die "Curiosen Geschichten" sind die CD zur Tournee. "Wie bei Madonna", lässt sie im Pressetext augenzwinkernd wissen, und vielleicht der zukunftsweisende Weg für die Vermarktung des eigenen Werks.

Der selbstbewusste Umgang mit den Mechanismen des Musikmarkts passt zu ihr. So leicht und luftig ihre Musik auch klingen mag, so ernst ist ihr auch mit der eigenen Arbeit. Selbst der geliebten Schwarzwaldtorte wird sie am Ende überdrüssig und findet dafür Worte, die das Backwerk überraschend als Allegorie auf die Seichtigkeit und Banalität des Mainstreams erscheinen lassen: "Doch irgendwann nach sieben Jahr'n // wird uns von all dem Süßkram schlecht // wir sprengen uns're Zuckerkruste // räumen auf und lesen Brecht".

 

© Michael Frost, 25.07.2010


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