Billie
Holiday. Ihr Name drängt sich geradezu auf, während das
erste Lied des neuen Albums von Jolie Holland läuft. "Escandida"
heißt die CD, "Sascha" das Lied, und es beginnt mit
den Zeilen "Tonight my heart ist full of a sad song".
Billie
Holiday. Ihr Name drängt sich auf - und Jolie Holland hält
dem Eindruck stand. Sie klingt wie ein kleines Mädchen und dann
wieder wie eine alte Frau, und manchmal wie beide zur selben Zeit,
schrieb ein Kritiker des San Francisco Cronicle, der ihr voriges Album
"Catalpa" zu den zehn besten Veröffentlichungen des
Jahres zählte.
"Escandida"
übertrifft den Vorgänger. Erstmals arbeitete Jolie Holland
unter richtigen Studiobedingungen. Mit einem halben Dutzend exzellenter
Begleitmusiker entwirft sie ihren ureigenen amerikanischen Traum.
Und der wurzelt zutiefst im Blues, im Folk und im Jazz, wie er in
New Orleans zu Hause ist.
Trotz
des professionellen Rahmens geht der authentische Gesamteindruck,
der auch schon beim Hören von "Catalpa" faszinierte,
nicht verloren. "Escandida" wirkt ebenso spontan, gefühlvoll
und direkt. Die begleitenden Instrumente wirken keineswegs arrangiert,
sondern unterstützen die Atmosphäre des Albums aus dem Hintergrund.
Präsent werden sie nur an einer Stelle: im Folksong "Good
bye California", dem einzigen Titel, bei dem Jolie Holland das
Tempo anzieht.
Schon
beim nächsten Song ist er wieder da, der Eindruck einer jungen
Billie Holiday. Und doch wird man ihr mit dem Vergleich nicht gerecht.
Jolie Holland hat das Potenzial, in nicht allzu ferner Zukunft selber
als Maßstab für andere herangezogen zu werden. "Escandida"
ist - hoffentlich - erst der Anfang.
©
Michael Frost, 17.04.2004