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"Ein bewegendes
Theaterstück"


Es gibt Schauspieler, die auch singen. Und Sänger, die auch schauspielern. In beiden Fällen bleibt die eigentliche Profession als Standbein erkennbar. Der Ausflug ins fremde Metier erfolgt mit dem Spielbein, zeitlich befristet, oft mit zweifelhaftem Erfolg.

Daneben gibt es noch eine dritte Gruppe. Zu dieser gehört Dominique Horwitz. Sein Gesicht vergisst man nicht, seit man ihn zum ersten Mal in einem Film oder auf einer Bühne sah. Seine Stimme vergisst man nicht, seit man ihn zum ersten Mal bei einer Lesung hörte, als Sänger von Brecht/Weill-Songs oder in seinem phänomenalen Programm mit den Chansons von Jacques Brel. Welches sein ursprüngliches, angestammtes Metier ist, lässt sich längst nicht mehr ausmachen. Dominique Horwitz scheint Stand- und Spielbein nach Bedarf austauschen zu können.

Mit den Liedern von Jacques Brel tritt er, in der Regel von einem kleinen Ensemble begleitet, bereits seit zehn Jahren auf, und manchmal scheint es, als wären die Lieder für ihn geschrieben worden. Der in Paris geborene Horwitz (er war 14, als seine Familie nach Berlin umsiedelte) hat die unsterblichen Chansons derart verinnerlicht, dass der Begriff "Hommage" zu schwach erscheint, um seine Beziehung zu Brel und seinen Liedern beschreiben, und seine besondere Art der Würdigung Brels besteht in der Auseinandersetzung mit der Musik, nicht in der Imitation.

Auf der Bühne findet Horwitz seine eigene Interpretation der legendären Stücke wie "Amsterdam", "Les Bourgeoises", "Valse à mille temps" oder "Vesoul". Das Original dient ihm als Ausgangspunkt, doch gemeinsam mit ihm wachsen die Chansons über sich hinaus, verschieben ihren Perspektive, bekommen eine neue Dynamik.

Horwitz ist ein anderer Charakter als Jacques Brel. Der Belgier, dessen Bühnenpräsenz von einem manchmal beängstigenden Grad der Besessenheit zeugte, der schwitzte, schrie und litt und sich bei jedem Konzert verausgaben konnte, als sei es sein letztes, sang nicht bloß, er verkörperte, was er sang.

Horwitz ist auch deshalb so gut, weil er gar nicht erst den Versuch unternimmt, den Habitus seines Idols zu kopieren. Er bleibt Interpret, er unterstreicht die Musikalität der Lieder, nicht ihren Gestus, und bleibt als eigenständige Persönlichkeit weithin erkennbar.

Es muss für ihn die Erfüllung eines lang gehegten Traumes sein, dass ihm nun mit dem NDR Pops Orchestra erstmals ein 80-köpfiges Orchester zur Verfügung stand, um seine Interpretation von 18 der größten Brel-Chansons im Großen Sendesaal des NDR in Hannover aufzuführen. Orchesterleiter Enrique Ugarte arrangierte die Titel meisterhaft, weil er sich an Horwitz' Interpretation orientierte, nicht an den alten Aufnahmen der Originalfassungen von Brels Orchester. Dieser Prozess ermöglichte auch den Orchestermusikern einen neuen Zugang.

Und so, schreibt Horwitz im Begleitheft der aus den Konzertproben erwachsenen CD-Produktion, sei aus den 80 Musikern "eine mitreißende Schauspieltruppe" geworden, "aus den unterschiedlichsten Arrangements ein bewegendes Theaterstück, aus dem Konzert die Bühne, auf der die Gestrandeten, die Betrogenen, die Verlierer und die, die den täglichen Kampf noch nicht aufgegeben haben, endlich zu Wort kamen."
Der CD-Veröffentlichung folgen nun weitere Auftritte von Horwitz und dem NDR Pops Orchestra (dahinter verbirgt sich die Radiophilharmonie Hannover).

Horwitz hat sich dafür sogar ein neues Standbein zugelegt: "Ne me quitte pas" erschien in der eigens von ihm gegründeten Schallplattenfirma "Rosenkranz & Guildenstern". Doch damit nicht genug. Künftig, ließ er wissen, "soll mein Label zum einen thematisch und inhaltlich einen starken Weimar-Bezug haben. Die Weimarer Klassik wird natürlich eine Rolle spielen, ebenso andere Autoren, die in/von Weimar inspiriert wurden." Spätestens hier wird klar: Unter den singenden Schauspielern (und umgekehrt) bildet Dominique Horwitz längst seine eigene Gruppe. Chapeau!

© Michael Frost, 29.09.2007

 


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