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Einschusslöcher
und Schreibmaschine


Als Hanne Hukkelberg 2003 ihr erstes Album veröffentlichte, brachte sie zahllose Aufnahmen von Alltagsgeräuschen mit ins Studio. Fast alles auf "Little things" schien aus Straßenaufnahmen zu bestehen, aus klirrenden Gläsern und klapperndem Küchengeschirr.

Dagegen ist "Rykestrasse 68" fast eine konventionelle Angelegenheit, denn auf der CD kommen überraschend viele identifizierbare Instrumente zum Einsatz: Gitarre, Cello, Klavier, Blockflöten. Doch, soweit blieb sie sich treu, kommen die Instrumente nie dort und vor allem nicht in der Art zum Einsatz, die man erwarten würde. Hanne Hukkelberg ist die versponnene Klangkünstlerin geblieben, die "Little things" 2005 zu einem der interessantesten Alben des Jahres machten.

Und vielleicht gebührt ihr das Prädikat, als erste Musikerin überhaupt eine "Penny Markt"-Filiale besungen zu haben. Denn genau das tut sie im Opener "Berlin": "On the outside
Of the penny marked // Punks are selling // Black and white fanzines ..."
Der Text ist schon deshalb interessant, weil er viel über den Eindruck errät, den Fremde von der deutschen Hauptstadt haben. Hanne Hukkelberg jedenfalls entdeckte verwilderte Gärten, alte Einschusslöcher - und wiederholt: schwarz-weiß, allen Bemühungen der Stadterneuerer zum Trotz.

Ein halbes Jahr verbrachte Hanne Hukkelberg in Berlin. Inzwischen lebt sie wieder in Oslo, wo auch ihr neues Album entstand. "Rykestrasse 68" ist dabei so erfolgreich, dass es mit dem "Spellemansprisen" (dem norwegischen Grammy) als Album des Jahres ausgzeichnet wurde. Und mit "Cheater's armoury" enthält es sogar einen veritablen Ohrwurm, der prompt als Single ausgekoppelt wurde.

Doch auch wenn Hanne Hukkelberg sich auf der neuen CD offener und weniger verschroben präsentiert, fröhlicher und ungezwungener wirkt, so bleibt sie doch Lichtjahre vom Mainstream entfernt - und bewahrt sich ihren eigenen Klang zwischen Glockenspiel, Feengesang und spontanen Temperamentsausbrüchen. Und sie verfügt noch immer über genügend Eigensinn, um unvermittelt klappernde Schreibmaschinen statt eines Schlagzeugs als Rhythmusgrundlage zu verwenden ("The North Wind").

Bemerkenswert auch "The Pirate". Der Titel klingt nach Johnny Depp, doch tatsächlich geht es um einen traurigen Selbstmord: "A dive into infinity, eternity // God's haven". Hanne Hukkelberg entwickelt die Geschichte als leise Piano-Etüde à la Tori Amos, setzt sich dann aber langsam in Bewegung, bis der Song schließlich zu schwingen beginnt. Vielleicht besteht am Ende ein kleiner, vielleicht zynischer Hoffnungsschimmer: "The rocks pull // his body down // but brings his soul // even higher ..."

Hanne Hukkelberg etabliert sich mit "Rykestrasse 68" wohl endgültig als eine der bemerkenswerten Songschreiberinnen Nordeuropas. Damit steht sie in einer Reihe mit (und auch in der musikalischen Tradition von) Kolleginnen wie Björk, Anja Garbarek, Stina Nordenstam und Emiliana Torrini.

© Michael Frost, 24.03.2007

 


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