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vorschau JULIA HÜLSMANN TRIO Tourdaten

 

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Schatten und Spuren des Sommers
von Hans Happel

 

Es sind diese allerersten Augenblicke, die ersten Eindrücke beim Hören der langsam fallenden Akkorde auf dem Piano, mit denen Julia Hülsmann eine Stimmung präzise, eindringlich, auf den Punkt genau zum Klingen bringt: Sie benennt sie im Eingangs- und Titelstück ihrer neuen CD „The End of a Summer“.

Da scheint ein Spätsommertag mit allerletzten Regentropfen auszuklingen, mit einer leisen Melancholie, die nie ins Sentimentale kippt, denn das erlauben sich die Musiker dieses großartigen Trios nicht: Die Pianistin Julia Hülsmann, Marc Muellbauer am Kontrabass und der Drummer Heinrich Köbberling spielen seit 6 Jahren zusammen und sie haben eine Form gefunden, die das Emotionale, das schöne Gefühl, das liedhafte Melodien begleitet, in einen kargen Minimalismus verwandelt, der so reduziert, so pur und schnörkellos daherkommt, dass gerade darin die Kraftquelle dieser Musik liegt.

In ihrer Strenge und Transparenz erinnern die Eingangsakkorde des Titelstücks an Eric Satie, und wenn Marc Muellbauer auf dem Bass sehr vorsichtig mit ersten Tönen dazwischen geht, um die Improvisation der Pianistin zu beflügeln, dann zeigt Julia Hülsmann, worin ihre Kunst besteht: Sie liegt in der Zurückhaltung, im genauen Bewahren der Ausgangssituation, die noch im Ausschreiten der Möglichkeiten des musikalischen Materials immer etwas Tastendes hat und nie ins vordergründig Virtuose wechselt.

Julia Hülsmann und ihre beiden Mitstreiter haben sich einen Namen gemacht mit Lyrik-Vertonungen. Mit Rebekka Bakken spielte das Trio Gedichte des amerikanischen Avantgarde-Lyrikers E. E. Cummings ein („Scattering Poems“ – siehe CD-Kritik), für Roger Cicero vertonte Julia Hülsmann Lyrik von Emily Dickinson, strenge, stille Klagelieder, die der inzwischen im Mainstream gelandete Jazz-Sänger hinreißend schön zum Swingen brachte („Good Morning Midnight“ – siehe CD-Kritik).

Mit „The End of a Summer“ gibt das Julia Hülsmann Trio ihr Instrumental-Debüt bei Manfred Eichers ECM-Label, das nicht nur für Qualität steht, sondern gerade für diese Art der zurückgenommenen, durchsichtigen und lyrisch inspirierten Kammermusik, die hier zu hören ist. „Die Aufnahme mit Manfred Eichner im Osloer Rainbow Studio war für und alle wie die Erfüllung eines Jugendtraums“, gesteht Julia Hülsmann im Presse-Info. Unter den 10 Titeln des Albums sind allein sechs von ihr selber, drei weitere haben die beiden Sidemen beigesteuert, allen ist gemeinsam, dass sie jene Eingangsatmosphäre, die heitere Tristesse des Spätsommers in sich tragen, dass sie mit geradezu ausgebleichten Farben arbeiten, - ein Titel wie „Sepia“ deutet direkt darauf hin -, und das „Gelb“ des Herbstes noch einmal zum Klingen bringen.

Während Muellbauer am Bass anschmiegsam und hochsensibel die Melodiebögen des Pianos aufgreift, ohne sich in den Mittelpunkt zu drängen, unterstreicht und akzentuiert Köbberling mit meist leisen Schlägen und perkussiven Formen das dichte Spiel, das bei aller Kargheit dennoch bewegt und groovend sein kann. „Quint“, das Mittelstück des Albums, verwandelt die Traurigkeit in temporeiche Heiterkeit, ohne die Schatten und Spuren des vergehenden Sommers zu leugnen. Stimmungswechsel ja – aber keine süffigen Farben, keine fetten Töne, die Formen bleiben zart und schwerelos schwer, die musikalischen Linien sind einfach, häufig fragmentarisch, das Liedhafte wird nur angedeutet, auch in der betörend schönen Cover-Version des Songs „Kiss from a rose“ von Seal.

„The End of a Summer“ ist keineswegs Programm-Musik, dennoch: Hier leuchten die vergehenden Farben eines Sommers. Das ist die große Kunst dieses Trios: Julia Hülsmann, Marc Muellbauer und Heinrich Köbberling machen die Verwandlung und den Schmerz, den der Abschied vom Sommer immer erneut hervorruft, zum Thema der Musik.


© Hans Happel, 02. November 2008

 


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