Dieses 
                    Trio hat Jazz-Geschichte geschrieben. Seine Aufnahmen mit 
                    Standards aus dem Great American Songbook sind längst 
                    selber Standard geworden. Kein Trio-Ensemble kann an Keith 
                    Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette vorbei. Seit 25 
                    Jahren spielen die drei zusammen, ihre Wege in musikalisches 
                    Neuland ("Inside out") sind ebenso faszinierend 
                    wie ihre Versuche, die Wurzeln des Jazz nicht zu vergessen. 
                    
                  "Die 
                    kompetenteste und innovativste Rettungsstation der Jazz-Geschichte" 
                    (Reclams Jazzlexikon) hat jetzt ein Doppel-Album herausgegeben, 
                    das die drei good old guys mit einer derartigen Lust und Leidenschaft 
                    beim Jammen zeigt, wie man es selbst von ihnen selten gehört 
                    hat. 
                  Keith 
                    Jarretts Jauchzer, Ausrufe und Stöhner mittenmang illustrieren 
                    das good feeling bei einem Live-Act, den das Trio im Juli 
                    2001 beim Montreux Jazz-Festival gegeben hat. Den richtigen 
                    Augenblick für die Veröffentlichung dieses Konzertmitschnitts 
                    hielt Keith Jarrett - laut Linernotes - jetzt für gekommen, 
                    er zeige das Trio - so Jarrett weiter - "von seiner launigsten, 
                    melodischsten und dynamischten Seite". Es 
                    gehe um Swing, Energie und schiere Ekstase von Musikern und 
                    Hörern und ihm falle kein anderes Konzert ein, dass diese 
                    Qualitäten so vollständig zum Ausdruck gebracht 
                    hätte. 
                  Nein, 
                    das ist kein billiges Eigenlob, Keith Jarrett bläst hier 
                    nicht etwa hübsche Petitessen zum Großereignis 
                    auf, er hat - ganz einfach - recht. Die Aufnahmen, die jetzt 
                    unter dem Titel "My foolish heart" vorliegen, sind 
                    ein Hochgenuss. 
                  Mit 
                    13 Nummern aus dem Repertoire der klassischen Standards zieht 
                    das Trio einen Bogen von den traditionellen in die moderneren 
                    Regionen des Jazz. Mit drei Stücken beschworen sie den 
                    Geist eines der Urväter aller Jazz-Pianisten, Fats Waller. 
                    Seine beiden berühmtesten Ohrwürmer aus den frühen 
                    30-er Jahren "Ain´t Misbehavin´" und 
                    "Honeysuckle Rose" sind zeitlos, das Publikum jubelt, 
                    wenn die Modern-Jazz-Spieler mit höchstem Vergnügen 
                    beweisen, dass sie keine Puristen sind und Jarrett die Stride-Piano-Floskeln, 
                    den Ragtime-Stil genauso souverän beherrscht wie Thelonious 
                    Monks Bebop Dissonanzen oder die lyrischen Töne des Titelsongs. 
                    
                  In 
                    "My foolish heart" zeigt er sich erneut als ein 
                    Meister der Verlangsamung, der dem melancholischen Liebeslied 
                    von Washington/Young in einer 12-Minuten-Version die Tristezza 
                    und die Größe einer romantischen Sonate gibt. Dabei 
                    garantieren sein sauberer, extrem nüchterner Ton, sein 
                    klarer Anschlag und seine zurückhaltende Phrasierung, 
                    dass der Schmerz nicht ins Sentimentale umkippt. Dafür 
                    sorgen selbstverständlich auch die beiden Sidemen, die 
                    stets mehr und anderes waren als freundliche Begleitmusiker. 
                    
                  Jack 
                    DeJohnette kann zwar dezent im Hintergrund bleiben, er mischt 
                    sich immer wieder ganz energisch, ebenso drängend wie 
                    vital, ins Geschehen ein, und Gary Peacock zeigt in mehreren 
                    grandiosen Soli, wie sehr er seinem Piano-Partner ebenbürtig 
                    ist. Geradezu sopisticated ist ihre Version von Monks "Straight, 
                    No Chaser", in der Jarrett, nachdem er das Thema - extrem 
                    schnell - vorgegeben hat, für den Bassmann überraschend 
                    den Platz räumt, der daraufhin ein Solo vorlegt, mit 
                    dem er die Musik aufreißt, in Dynamik und Melodik etwas 
                    ins Spiel bringt, das schließlich die beiden anderen 
                    mit sich zieht in eine Welt des Free Jazz, die Jarrett am 
                    Ende mit wenigen leisen Akkorden verklingen lässt. 
                  Keith 
                    Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette gelingt es, in einem 
                    einzigen 10-Minuten Stück die Geschichte des Jazz zum 
                    Leuchten zu bringen, so sehr, dass ihre Version dieses Klassikers 
                    selber zum Klassiker werden dürfte. "My foolish 
                    heart - Live at Montreux" ist ein Hörvergnügen, 
                    es zeigt drei Ausnahmemusiker auf der Höhe ihrer Kunst 
                    - ihrer Kunst, sich neu anzueignen, was schon tausendmal nachgespielt 
                    wurde. Hier klingt es elegant und raffiniert, vor allem aber 
                    außerordentlich lebendig, und man hört es den dreien 
                    an, wie unbeschwert, heiter und gelassen sie miteinander spielen. 
                    
                   
                    © 
                    Hans Happel, 18.10.2007