Dass 
          DJs mehr sind als Platten-Aufleger, ist längst keine Nachricht 
          mehr wert. Doch, wie in jedem Genre, gibt es natürlich auch hier 
          Spreu und Weizen, und nicht überall, wo "DJ" drauf ist, 
          ist auch DJ drin (nein, wir verzichten an dieser Stelle auf das abgeschmackte 
          Beispiel eines Schweizer Möchtegern-DJs und seinen Kindergartenpop). 
           
          Um 
            sicher zu gehen, sollten DJs vielleicht mit einem Gütesiegel 
            ausgestattet werden, und das könnte der Einfachheit halber gleich 
            nach dem Berliner DJ-Kollektiv Jazzanova benannt werden. Denn die 
            sechs DJs (Alexander Barck, Claas Brieler, Jürgen von Knoblauch, 
            Roskow Kretschmann, Stefan Leisering, Axel Reinemer), die sich unter 
            diesem Namen versammeln, liefern ausnahmslos Mixturen auf höchstem 
            Niveau. Damit beeindruckten sie auch die Macher des renommierten Blue 
            Note-Labels, das seinen Ruhm in den 50er Jahren als Verlag für 
            einige der größten Jazzmusiker begründete.
          Der 
            Blue Note-Katalog ist bis heute exquisit, und auch für die nunmehr 
            fünfte Ausgabe ihres "Blue Note Trip" hatten die Sechs 
            von Jazzanova erweist sich das Archiv als unerschöpflich. "Scrambled 
            + Mashed" sampelt auf einer Doppel-CD (standesgemäß 
            auch als vierfach Vinyl erhältlich) Aufnahmen von Betty Carter 
            (1965) über Bob Dorough und Marlena Shaw (beide 1972), Egberto 
            Gismonti (1982) und einer gemeinsamen Einspielung von David Bowies 
            "This is not America" mit Pat Matheny (1985) bishin zu ganz 
            aktuellen Veröffentlichungen des Blue Note-Labels. Dazu gehört 
            beispielsweise aktueller Jazz, etwa von Madlib (2003), oder das New 
            Yorker Underground-Trio Medeski, Martin & Wood ("Midnight 
            bird").
          Diese 
            unterschiedlichen Sounds, Ausschnitte und Songs aus verschiedenen 
            Epochen werden nahezu unmerklich miteinander verwoben, verschmolzen 
            und neu zusammengesetzt. Gerade dadurch offenbaren die Stücke 
            zumeist eine neue, unbekannte Seite, eingebettet zwischen mal verwandte, 
            mal auch fremde Klänge aus Jazz, Soul, R&B, Folk, Funk, Lounge 
            und Electronica. 
          Dass 
            nicht jedes Detail sofort hängen bleibt, gehört in der Welt 
            des Lounge-Sounds zum Programm. Im Gegensatz zum traditionellen Song 
            ist für den professionellen DJ die Unauffälligkeit Programm, 
            die von ihm erschaffene Atmosphäre zielt auf die unbewusste Wahrnehmung, 
            und die erreicht Jazzanova scheinbar mühelos. Andererseits, und 
            darin liegt die besondere Qualittät dieses Mixes; wenn man dann 
            zwischendurch doch einmal aus seinen Tagträumen erwacht und die 
            Musik bewusst wahrnimmt, gibt es immer wieder faszinierende Details 
            zu entdecken, Claude Bartees Tenorsaxophon in Grant Greens "Hurt 
            so bad" von 1965, oder die bezaubernde Stimme der Französin 
            Keren Ann und ihre wunderschöne Folkballade "For you and 
            I" (aus ihrem Album "Nolita" von 2004).
          Für 
            die Zunft der DJ dürften die "Blue Note-Trips" von 
            Jazzanova eine Herausforderung sein. Aber das gehört zum Spiel: 
            Nicht jeder ist reif für das Gütesiegel. 
          © 
            Michael Frost, 18.08.2006