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Isländische Freudenfeuer
Gast-Beitrag von Stephan Stöckel

Wer hätte das gedacht: Während Island finanziell am Krückstock geht, ist Jonsi, einer seiner schillerndsten musikalischen Persönlichkeiten, die Ausgeburt der Fröhlichkeit, ein Quell an Optimismus, aus dem die Lobgesänge auf das Leben nur so hervorsprudeln. Von ihm hätte man es am wenigsten erwartet, stand doch seine Band "Sigur Rós", die den Sänger mit der unnachahmlichen Falsettstimme, der seine Gitarren mit einem Geigenbogen streicht, berühmt gemacht hatte, immer für tief empfundenen Weltschmerz.

Die Isländer von "Sigur Ros" haben eine längere Bandpause eingelegt, "um Kinder zu kriegen", wie sie lakonisch verkündeten. Ihr charismatischer Frontmann Jonsi nutzte die Zeit, um sich zu neuen Ufern aufzumachen. Herausgekommen ist ein faszinierendes, traumhaft schönes Soloalbum mit dem treffenden Namen "Go", auf dem sich über weite Strecken alles in Bewegung befindet, alles anders ist, wie man es bislang von dem nordischen Künstler gewohnt ist: Die Sprache, die Musik, die Texte.

Sang der Isländer, der mit bürgerlichem Namen Jón Birgisson heißt, bislang überwiegend auf isländisch oder seiner selbst erfundenen Sprache "Hopelandic", so tut er dies nun auf Englisch. Heitere Flötentöne, schwungvolle Orchesterklänge, wuchtige Trommeln und pulsierende Elektronik, alles leicht gegen den Strich gebürstet, klingen wie der Soundtrack zum Frühlingserwachen, lassen die ersten Sonnenstrahlen nach einem kalten, langen Winter vor dem geistigen Auge des Zuhörers erscheinen, schenken Wärme und muntern auf.

Ob "Animal Arithmetic" oder die erste Single "Go Do" überall schallt einem der Optimismus entgegen: "We should all be alive", "Go sing, too loud, Make your voice break - Sing it out. Go scream, do shout, make an earthquake" - Worte die für sich sprechen und mit einem Element der Verstärkung daherkommen. Jonsi entfacht derartige Freudenfeuer, als würde er ausbrechen wie kürzlich der isländische Vulkan Eyjafjallajökull. Naturbilder und gesampelte Tiergeräusche runden das Bild eines Künstlers ab, der seiner Freude über das Leben musikalisch Ausdruck verleiht.

Doch Jonsi wäre nicht Jonsi, würde er sich nicht zum Schluss in der bezeichnenderweise auf isländisch gesungenen Weise "Hengilas" mit seinem glockenhellen Falsett und voller Inbrunst der Schwermütigkeit hingeben. Denn bekanntlich folgt jedem Werden auch ein Vergehen.

Jónsi: "Go"
(Parlophone/EMI)

ist eine Gast-Kritik von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, April 2010


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