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YASMIN LEVY
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Eine gemeinsame Sehnsucht

 

"Irme kero madre a Yerushalayim // komer de sus frutos, bever de sus aguas ..." - Unschwer werden Spanischkundige die ersten Zeilen des Albums von Yasmin Levy übersetzen können - oder doch nicht?

Tatsächlich heißt die Sprache, die Levy singt, Ladino; die Sprache der sephardischen Juden, der Gruppe, die bis zu ihrer Vertreibung im ausgehenden Mittelalter auf der iberischen Halbinsel ansässig war. Ladino basiert erkennbar auf dem kastilischen Spanisch, wird jedoch in hebräischer Schrift geschrieben. Yasmin Levys Vater Yitzhak wurde einst mit der Aufgabe betraut, die überwiegend mündlich überlieferten Lieder der sephardischen Juden für den israelischen Rundfunk zu erhalten. Um die 500 Lieder enthält seine Sammlung - ein Fundus, den seine Tochter in ihrer Musik wieder lebendig werden lässt, und den sie inzwischen längst um eigene Lieder erweitert hat: "Mano suave" ist bereits ihr drittes Album.

"Mutter, ich habe Sehnsucht nach Jerusalem // seine Früchte zu kosten, seine Wasser zu trinken ..." - Sehnsucht ist ein zentrales Thema in der Musik, Abschied und zarte Liebesbande werden in leise Poesie gekleidet, und Yasmin Levy singt die Verse mit Leidenschaft und Hingabe - und einer beschwörenden, tiefgründigen Stimme, die ihresgleichen sucht. Sie lässt eine Zeit auferstehen, die lange vergessen war. Viele spanische Musiker entdeckten in den letzten Jahren zwar die maurischen, also arabisch-muslimischen Wurzeln ihrer Kultur neu, doch der Einfluss der jüdischen Kunst und Musik ist weiterhin ein weißer Fleck.

Umgekehrt wird in der Musik Yasmin Levys die Wechselbeziehung des gemeinsamen religiösen Erbes sichtbar: Die Grenzen zwischen christlicher, jüdischer und muslimischer Tradition sind fließend, auch in ihren Liedern. Yasmin Levy spielt bei Konzerten meist die Darbouka, eine arabische (!) Trommel, und ihre Lieder sind mal arabische Ballade, mal andalusischer Flamenco, mal jüdisches Wiegenlied. Doch die Ladino-Musik diente immer auch der Selbstbehauptung einer lange verfolgten Gruppe, die sich nach ihrer Vertreibung von der iberischen Halbinsel in verschiedenen Regionen Europas neu ansiedelte.

Heute, wo vordergründig religiös motivierte Konflikte die Weltpolitik beherrschen, ist Yasmin Levys Album allerdings mehr als nur die Erforschung eigener Wurzeln, es ist ein musikalisches Plädoyer. Denn, so die konnotierte Botschaft von "Mano suave": Unsere Traditionen sind keineswegs so verschieden, wie die Scharfmacher und Fundamentalisten auf allen Seiten immer wieder behaupten. Im Gegenteil: sie verbindet eine gemeinsame Sehnsucht. Jerusalem ist dafür die Metapher. Aus ihr erwächst eine gemeinsame Verantwortung für die Gegenwart.


© Michael Frost, 12.01.2008

 


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